Pressekonferenz
Kunstforum Lÿz, Siegen
Fr., 30.4.99, 12 Uhr

Deutsche Übersetzung: Andy Schlömer
Englische Mitschrift

Geoff Baker: Meine Damen und Herren, Paul McCartney

PMcC: Danke, und "guten Tag" (Deutsch).

Frage (Flemish Radio): Glauben Sie, Sie haben schon Ihren eigenen Stil beim malen entdeckt, ist das überhaupt Ihr Ziel, oder sehen Sie Ihre Malerei als eine der vielen als einen Ausdruck Ihres vielseitigen Talents? (manifestations of underlying core skills)?

PMcC: Ja, ich glaube ein gewisser Stil fängt an, sich herauszukristallisieren. Als ich anfing, war das mit die schwierigste Frage: Was für einen Stil möchte ich haben? Also entschied ich mich, zunächst einfach das zu machen, wozu ich Lust hatte, um dann zu schauen, ob es mich vielleicht irgendwo hinführt. Und ich scheine schon einen wiedererkennbaren Stil bekommen zu haben, obwohl ich eigentlich nicht direkt einen suche. Ich glaube, es passiert einfach auf eine natürliche Art und Weise.

Frage: Hi, Paul. Ein Kompliment an diese Ausstellung! Ich bin froh, Ihnen sagen zu können, daß ich Ihre Ausstellung in Italien unterstützt habe, indem ich die gesamte italienische Presse benachrichtigt habe. Die Stadträte sagten mir, daß es möglich wäre, Ihre Ausstellung in zwei oder drei Städten Italiens vorzuführen.

PMcC: Was? Obwohl sie die Bilder garnicht kennen? Naja, es wäre trotzdem schön, glaube ich.

Frage: Warum stellen sie Ihre Bilder in Siegen und nicht in New York, London oder Paris aus?

PMcC: Wolfgang war die erste Person, die auf mich zukam und ernsthaft an meinen Bildern interessiert war. Viele andere Personen sprachen mich an und wollten eine Ausstellung organisieren und ich sagte: Aber ihr habt die Bilder doch noch garnicht gesehen. Die sagten mir dann, das wäre schon o.k., denn sie waren eher daran interessiert, den Star auszustellen, als die Bilder. Aber Wolfgang war der erste, der sagte, er würde sich gerne meine Bilder ansehen. Er ist sehr ernst mit der Sache umgegangen, und so bin ich am Ende hier gelandet. Hier wohnt er, in Siegen, und das hier ist seine Gallerie und für mich ist es gut, um zu sehen, ob ich es mag. Und wenn irgendwann ein Angebot aus London oder New York kommt, dann mache ich das vielleicht.

Frage: War es für Sie nicht ein großes Wagnis, als historische Persönlichkeit, als Person, die Musikgeschichte geschrieben hat, sich jetzt auf einem völlig anderen Gebiet der Kunst zu bewegen? Haben Sie nicht ein wenig Angst vor den Kritiken, die sie morgen bekommen werden?

PMcC: Wissen Sie, es ist immer riskant, etwas zu tun, das außerhalb des eigenen Gebiets liegt, aber ich denke, daß ich immer schon riskante Dinge getan habe. Vieles, das wir mit den Beatles gemacht haben, war riskant. Aber ich mag das. Das ist es, was mir an Kunst gefällt: Das Riskante. Ich mußte das hier nicht machen, aber ich male gern und ich male seit sechzehn Jahren und ich dachte mir, als das Angebot kam, vielleicht ist die Zeit jetzt gekommen, den Leuten zu zeigen, was ich so gemacht habe. Ich mache mir eigentlich keine Sorgen, was das Risiko angeht und es ist mir eigentlich egal, was die Kritiker denken. Mir ist wichtiger, was ich davon halte. Ich bin die Person, die ich zufriedenstellen muß. Ich kenne auch viele, die es automatisch nicht mögen werden, weil es von mir ist, aber das ist o.k. Das Risiko ist nicht zu groß. Hoffe ich.

Frage, Style Magazin: Hat die Königin ihre Portraits schon gesehen? Wenn ja, was hat sie dazu gesagt?

PMcC: Sie hat sie nicht gesehen.

Frage: Wie sehr hat Willem de Kooning ihre Arbeit beeinflußt und glauben Sie, Sie treten in die Fußstapfen des abstrakten Expressionismus?

PMcC: Ich war eigentlich nie einer, der zur Schule der Kunst gehörte. Ich habe meine Kunst selbst kreiert, aber ich bin von Menschen, wie de Kooning beeinflußt worden. Er war ein guter Freund. Der Vater meiner Frau war sein Anwalt und hat ihm geholfen, ich bin also oft zu seinem Studio rübergegangen und er war einer der ersten, die mich in dieser Hinsicht sosehr befreit haben, daß ich wußte, es ist o.k., wenn ich mit dem Malen anfange. Ich hatte nämlich das Problem, daß ich im Prinzip nicht malen durfte. Nur Leute, die auf Kunstschulen gegangen sind, dürfen malen. Wir nicht. Es war eine Art innere Sperre, die aufgehoben wurde, weil ich mit ihm geredet habe. Man konnte mit ihm sehr interessante Gespräche führen, und er befreite mich in dieser Hinsicht so sehr, daß ich wußte, ich könnte es tun, wenn ich es wollte.

Frage, Berlin Radio: Man weiß, daß Sie früher schon gezeichnet haben. Warum haben sie so spät erst mit Ölfarben begonnen? Es müßte so um 1983 herum gewesen sein.

PMcC: Naja, seit meiner Schulzeit war ich immer schon ganz gut in Kunst. Und bei den Beatles würde ich manchmal Karikaturen von Leuten, die etwas mit der Band zu tun hatten, zeichnen. Für etwas anderes hatte ich damals keine Zeit. Als ich dann 40 wurde und mir jemand sagte: "Das Leben fängt mit 40 erst an!" und ich daraufhin wartete, aber überhaupt nichts anfing, sagte ich mir, daß ich schon immer mal malen wollte und daß jetzt vielleicht der richtige Moment wäre, damit anzufangen. Und als de Kooning mir dann etwas sagte, daß mich zusätzlich befreite, ging ich los und kaufte mir Leinwand und Ölfarben und seitdem male ich.

Frage: Wer oder was beeinflußt Sie, wenn sie mit einem neuen Bild anfangen?

PMcC: Das können viele Dinge sein. Wissen Sie, wenn ich eine Idee von dem habe, was ich malen möchte, dann inspiriert mich das. Aber manchmal male ich einfach, um eine Ausrede dafür zu haben, Farbe auf Leinwand aufzutragen. Ich mag den Akt des Farbeauftragens auf eine Leinwand, also erfinde ich einfach neue Dinge und folge der Farbe. Manchmal ein Portrait, z.B. von Linda, dann wäre sie die Inspiration...es sind viele verschiedene Dinge, meistens ist es einfach die Stimmung, in der ich mich befinde. Ich male nie, wenn ich nicht in der Stimmung dafür bin. Meistens denke ich einfach nur: Ja, jetzt möchte ich etwas malen. So einfach ist das.

Frage, Radio Hamburg: Was war Ihr lustigstes Erlebnis, während Ihrer Arbeit beim Malen?

PMcC: Ich weiß nicht genau. Einmal malte ich im Freien ein Bild, und eine Fliege landete auf der Leinwand. Und ich sah, wie sie für die Kunst ihr Leben gab. Jetzt hatte eins der Bilder eine Fliege drauf und ich entschied mich dafür, es so zu lassen, wie es war. Und es blieb jahrelang so. Als wir dann wußten, daß wir diese Ausstellung machen würden, war klar, das das Bild mitreisen mußte und ich befürchtete, daß die Fliege den Transport nicht überstehen würde. Es gab also heftige Diskussionen mit den Kunstarchivaren, wie das Problem gelöst werden könne. Vielleicht besprühen? Nein, das würde die Farbe der Leinwand ein wenig verändern und so weiter. Wir drehten uns immer mehr im Kreis, bis ich mich schließlich einfach von der Fliege verabschiedete. Jetzt gibt´s keine Fliege mehr.

Frage: Paul, ich habe sehr schöne Bilder gesehen und viele von ihnen haben mit der Natur zu tun. Zum Beispiel das Bild vom Strand. Könnten Sie sich vorstellen, oder wäre es ihnen möglich, spontan zu sagen, ob Sie an einem internationalen Feature-Film teilnehmen würden, in dem es um eine Gemeinschaft geht, die sich nach ökologischen Prinzipien selbst versorgt, und in der Sie als Maler leben würden?
Ich würde Ihnen gerne nach der Konferenz einen Brief geben, in dem alles steht.


PMcC: Ein Angebot? O.k. Ich bekomme Arbeit!

Frage, Welt am Sonntag: Mr. McCartney, ist der Prozeß des Malens für Sie schwieriger als der Prozeß des Komponierens?

PMcC: Nein. Weil ich es aus Spaß mache und weil ich die Bilder nicht verkaufe, ist es für mich wichtig, es zu genießen. Ich versuche also alle Momente der Angst daraus zu entfernen. Ich habe ein paar kleine Tricks, die es mir einfacher machen, das Malen zu genießen. Es ist so aufregend, wie ein Lied zu schreiben, es ist die selbe Art von Gefühl, aber ich denke, ich gehe mit dem Malen etwas gemütlicher um. Ich habe nie viele Probleme beim Malen. Es macht mir immer Spaß.

Frage, People Magazine: Wann macht es Ihnen am meisten Spaß zu malen und wie oft malen sie?

PMcC: Es ist immer eine Frage der Stimmung. Wenn ich mich nicht danach fühle, male ich nicht. Aber ich male, wenn ich Zeit habe; manchmal, regelmäßig, ein paar Monate lang, und manchmal male ich eine Weile lang gar nichts. Ich bin also nicht einer von denen, die sich jeden einzelnen Tag hinsetzen und fieberhaft arbeiten. Eigentlich nur, wenn ich in der Stimmung bin und eine Idee habe.

Frage: Die erste Frage befaßte sich damit, ob Sie einen eigenen Stil entwickeln. Wenn Sie nun zum Beispiel einem Mann auf der Straße oder Ihrem Nachbarn Ihre Bilder beschreiben müßten, wie würden Sie ihre Arbeit beschreiben?

PMcC: Das weiß ich nicht. Ich hätte gerne eine Antwort darauf, das ist eine wichtige Frage, aber ich weiß es nicht. Ich denke, sie geht vielleicht in Richtung abstrakte Kunst, wird jedoch durch verschiedene Gesichter belebt. Ich verstehe es eigentlich nicht, aber versuche es auch gar nicht zu verstehen. Das ist mir wichtig. Ich mache mir keine Sorgen darum, was es bedeuten mag. Ich glaube, es bedeutet einfach nur, daß ich gerne male.

Frage, Daily Mail: Jetzt, wo jeder weiß, was Sie in den letzten sechzehn Jahren so getrieben haben und alle vor Ihrer Haustür stehen werden, an der Haustür von Paul McCartney - dem Maler, wie werden sie damit umgehen? Mit Leuten, die Ihnen Aufträge anbieten und Leuten, die Ihre Bilder kaufen wollen. Was wird diese Tatsache ändern, wo Sie doch bisher gemacht haben, was Sie machen wollten?

PMcC: Ich werde einfach ablehnen. Ich würde keine Aufträge annehmen. So ein Maler bin ich nicht. Viele der Gesetze, die für Maler gelten, die malen, um davon zu leben, treffen glücklicherweise für mich nicht zu. Es ist schon ein Unterschied. Ich spreche manchmal mit Freunden von mir, die auf ihre Malerei angewiesen sind, und die leben nach ganz anderen Gesetzen als ich. Ich glaube nicht, daß ich Aufträge annehmen würde. So einfach ist das.

Frage: Ich mag Ihre Bilder sehr. Sind Sie überhaupt von der Kunst von John Lennon und Stuart Sutcliffe beeinflußt worden, die sich vor Ihnen mit Kunst auseinandergesetzt haben?

PMcC: Ich glaube, man kann sagen, daß ich im Sinne von dem, was sie gemacht haben, arbeite. Ich finde jedoch nicht, daß das, was ich mache, dem ähnlich ist, was John oder Stuart gemacht haben. Aber ich denke ich werde, wie sie, vom Geist der Freiheit inspiriert. Stuart war ein wirklich guter Maler, bevor er sich uns anschloß. Er mochte Leute, wie de Stael und John war eher ein Zeichner, als ein Maler. John hat, soweit ich weiß, kaum gemalt. Aber ich glaube, was uns verbindet, ist einfach, das wir im Geiste der Freiheit arbeiten.

Frage: Mr.McCartney, sehen Sie einen Zusammenhang zwischen musikalischen und farblichen Tönen? Sind sie sich in irgendeiner Weise ähnlich?

PMcC: Ja, ich war mit einem Freund von mir in einer Aufnahme-Session. Er ist Maler und wir bemerkten, daß wir über Musik redeten, als wäre sie eine sichtbare Sache. Ich glaube schon, daß es viele Zusammenhänge gibt. Man redet ja auch von der Farbe des Klangs, aber ich höre beim Malen kaum Musik. Die Musik spielt sich dann eher im Kopf ab.

Frage: Ich finde es erstaunlich, daß so viele Musiker malen, oder sich mit anderen Kunstformen auseinandersetzen und andersherum. Ist es eine Art Sport für kreative Menschen, die Kunst zu leben, die eigentlich nicht ihre eigene ist?

PMcC: Ich glaube nicht, daß das etwas neues ist. Es gab in der Geschichte so viele Menschen, die verschiedene Kunstformen beherrschten. Leonardo da Vinci zum Beispiel. Ich vergleiche mich jetzt nicht mit ihm, aber er ist ein gutes Beispiel dafür, das keiner etwas dagegen hatte, daß jemand verschiedene Kunstformen ausübte. Das scheint eine ältere Sache zu sein. Mir ist es fast ein bißchen peinlich, weil es soviel einfacher wäre, einfach nur Musiker zu sein und ansonsten die Schnauze zu halten. Dann müßte ich sowas wie hier überhaupt nicht machen. Aber es macht mir Spaß, ich schäme mich nicht deswegen, also sehe ich nichts Falsches daran und diese Ausstellung ist nur da, für den Fall, daß irgendjemand da draußen sehen möchte, was ich in letzter Zeit gemacht habe. Jetzt gibt es die Gelegenheit.

Frage, Facts/Switzerland: Wenn Kunst einen Weg darstellt, um Gefühle zum Ausdruck zu bringen, welche Gefühle können dann mit Malerei und welche besser mit Musik zum Ausdruck gebracht werden?

PMcC: Ich glaube, es ist möglich alle Gefühle mit beiden Arten der Kunst zu vermitteln.

Frage: Paul, ich bin aus Rußland gekommen und war sehr überrascht zu sehen, wie wunderschön Ihre Bilder sind. Ich wollte Sie jetzt fragen, was Sie von einer Ausstellung in Rußland halten würden.

PMcC: Ja, weitere Ausstellungen wären toll, aber dies hier ist zunächst das einzig ernstgemeinte Angebot gewesen, das ich bekommen habe. Ich wußte natürlich nicht, ob ich es hassen, oder lieben würde. Bis jetzt ist alles o.k., aber wenn ich die Kritiker sagen höre: "Mit der Malerei könnte der nicht mal `nen Blumentopf gewinnen." ("He can't paint for toffee"), dann könnte es etwas schwieriger werden. Wenn ich die Kritiken gar nicht erst lese, wäre es wiederum einfach. Ich wäre jedenfalls froh, wenn Leute meine Ausstellung sehen wollen und es wäre toll, die Bilder in Rußland auszustellen.

Geoff Baker: Vielen Dank, meine Damen und Herren

PMcC: OK, Danke schön. Genießen Sie die Ausstellung.

Photographs of the press conference © Kultur!Büro. Britta Beuter

 

PAUL McCARTNEY paintings , Kunstforum Lÿz, Siegen, 1. Mai bis 25. Juli 1999
Konzeption & Organisation der Ausstellung: Kultur!Büro. Kreis Siegen-Wittgenstein
Paintings © Paul McCartney. Photographs of the artist © Estate of Linda McCartney

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