Stellungnahme

Stellungnahme von Landrat Paul Breuer und Kreiskulturreferent Wolfgang Suttner zum Auftritt der Theatergruppe „Compagnie d’Outre-Rue“ im Rahmen von „Kultur Pur“ 2011

Siegen, 29. Juni 2011
Der Auftritt der belgischen Theatergruppe hat, insbesondere im Nachgang zur Veröffentlichung zweier Leserbriefe in der Siegener Zeitung vom 18. und 21. Juni, zu besorgten Reaktionen von Leserinnen und Lesern sowie von Festivalbesucherinnen und –besuchern geführt. Vor diesem Hintergrund geben Landrat Paul Breuer und Kreiskulturreferent Wolfgang Suttner folgende Stellungnahme ab:

Kernpunkt der Kritik
In verschiedenen Reaktionen wurde die Auffassung vertreten, dass der Auftritt „geschmacklos“ gewesen sei. Auch wurde der Umgang mit künstlerischen Darbietungen in anderen Kulturkreisen thematisiert. Auf beide Fragen kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Auch stellen sie nach unserer Auffassung nicht den Kernpunkt der Kritik dar. Entscheidend, und das zeigt die Auswertung eingegangener Anrufe und Zuschriften, ist die Frage nach dem Respekt vor den tief verwurzelten Überzeugungen und Empfindungen von Mitmenschen in einer von Verantwortung geprägten Gesellschaft. Es ist an jeder und jedem von uns, sich dieser ständigen Aufgabe zu stellen. Besonders gilt dies sicher für die relevanten Entscheidungsträger innerhalb unserer Gesellschaft sowie Persönlichkeiten und Institutionen mit Vorbildfunktion. Ob und wie weit der in Rede stehende Auftritt zu einer Verletzung religiöser Empfindungen geführt hat, ist eine Frage der persönlichen Erfahrung und Betroffenheit.

Anlass der Kritik
In einem eingehenden Gespräch haben wir die Angelegenheit besprochen und dabei auch die Abläufe auf dem Festivalgelände nachvollzogen. Es ist wichtig, sich ein Bild vom tatsächlichen Geschehen zu machen, wenn man sich ein Urteil hierüber erlauben will. Tatsächlich handelte es sich um mehrere kleinere Auftritte der Theatergruppe, die von Spontaneität und Improvisation geprägt waren. Keiner der beiden Darsteller hat sich ausdrücklich als Papst zu Erkennen gegeben. Vielmehr karikierten die Darsteller einen Priester und seinen Gehilfen. 
Eine satirische Darstellung der Messe im eigentlichen Sinne hat nicht stattgefunden. Die Verteilung von „Hostien“ und das Herumreichen eines „Kelches“ erfolgten spontan, in dem der Darsteller eine Packung Kartoffelchips öffnete und den Inhalt an Umherstehende verteilte, allerdings einzeln und mit einer durchaus von den Darstellern erwünschten Anspielung auf die Heilige Kommunion. Herr Suttner hat beim zweiten Auftritt der Theatergruppe – nicht als Erster – einen Kartoffelchip kommentarlos entgegen genommen.
Bei einer Bewertung der Auftritte ist zu berücksichtigen, dass die Aufführung auf dem ausgewiesenen Gelände des Musik- und Theaterfestivals stattfand, einem gesellschaftlichen Raum also, welcher der Kunstfreiheit besonders verschrieben ist.

Spannungsfeld: Freiheit der Kunst und gesellschaftliche Verantwortung
Es ist Aufgabe von Kunst, nicht nur zu unterhalten, sondern auch gesellschaftliche Gegebenheiten und Institutionen kritisch zu hinterfragen. Der Künstlerin oder dem Künstler kann in der Provokation eine besondere gesellschaftliche Rolle zukommen. Grundlage hierfür ist die grundgesetzlich garantierte Kunstfreiheit (Artikel 5 Abs. 3 GG). Hierbei werden mitunter Geschmacksgrenzen tangiert, im äußersten Fall sogar Gefühle von Menschen, auch religiöser Art, verletzt. Die Kunstfreiheit ist ein hohes Gut. Aus guten Gründen haben ihr die Verfassungsväter ebenso wie der Würde des Menschen und der Freiheit des Glaubens den Status eines Grundrechtes eingeräumt. Hierin liegt ein Spannungsverhältnis begründet. „Kultur Pur“ ist ein internationales Musik- und Theaterfestival, das auch über die Grenzen der Region hinaus eine hohe Anerkennung genießt. Wenn es auch künftig als qualitatives Kulturereignis ernst genommen werden will, muss die künstlerische Freiheit grundsätzlich gewahrt bleiben.
Freiheit ohne Verantwortung gibt es jedoch nicht. Freiheit kann nur dann vollends in Anspruch genommen werden, wenn sie mit einem verantwortungsvollen Umgang einhergeht. Der Veranstalter eines Festivals muss seine eigene, besondere, oben beschriebene, gesellschaftliche Rolle daher im Auge behalten, insbesondere wenn es sich um einen öffentliche Veranstalter handelt. Ein Maßstab hierfür ist nach unserer Auffassung, die Verletzung tief empfundener religiöser Überzeugungen zu vermeiden. Als öffentliche Verwaltung befinden wir uns in einem Spannungsfeld zwischen der Freiheit der Kunst und der Vermeidung möglicher Verletzungen von in diesem Fall religiösen Gefühlen. Eine solche Verletzung ist durch den Auftritt bei einer nicht unbeträchtlichen Zahl von Besucherinnen und Besuchern des Festivals offenkundig eingetreten und zwar insbesondere durch den satirischen Umgang mit dem Sakrament der Heiligen Kommunion.

Durch im Auftritt der Theatergruppe begründete Verletzungen religiöser Überzeugungen und Empfindungen sowie hieraus entstandene Irritationen bedauern wir sehr.

Mit Rücksicht auf die etwaige Verletzung religiöser Anschauungen des Festivalpublikums werden krass kirchenkritische Programme, wie das der „Compagnie d’Outre-Rue“, im Rahmen von „Kultur Pur“ in dieser Form künftig nicht mehr stattfinden. Dabei wird sichergestellt, dass das beschriebene Spannungsfeld zwischen Freiheit der Kunst und gesamtgesellschaftlicher Verantwortung grundsätzlich erhalten bleibt.

Wir sind in den vergangenen Tagen auch von Vertretern der Amtskirche angesprochen worden, denen sich Gemeindemitglieder mit ihrer Sorge und Kritik anvertraut haben. Wir haben vereinbart, dass wir unter anderem diesen Personenkreis, aber auch Bürgerinnen und Bürger, die sich an uns gewandt haben, zu einem gemeinsamen, persönlichen Gespräch einladen, um über dieses Thema konstruktiv zu diskutieren, möglicherweise entstandene Missverständnisse auszuräumen und Ansätze auszumachen, wie gemeinsam Beiträge für ein respektvolles Miteinander in unserer Gesellschaft geleistet werden können.


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