02.06.2006
|
KulturPur
– die 16.! Landrat Paul Breuer eröffnete
gestern Abend das Festival auf der Ginsberger Heide
mit launigen Worten und mit Pointen, die – natürlich
– auch auf das Wetter zielten. „Der Regen ist schon
wärmer geworden . ..“ Warm ums Herz wurde den Gästen
beim offiziellen KulturPur-Start auch dank der Musik
von M3 Organ (im Bild). Bis zu 50 000 Menschen werden
auf dem Giller erwartet; das Gelände ist für den Ansturm
der Kultur-Interessierten gerüstet. Dank engagierter
Helferinnen und Helfer, dank des Teams um Kreiskulturreferent
Wolfgang Suttner und Orga-Chef Georg Klein, dank der
Sponsoren und der Unterstützung aus Land, Städten und
Gemeinden. Breuer lobte den „Mannschaftsgeist“ und rühmte
KulturPur als „sinnliches Totalerlebnis von Kultur und
Natur“. Unmittelbar erfahrbar übrigens entlang des Rothaarsteigs:
Der Weg der Sinne führt mitten durch das Festival der
Sinne. Foto: Kalle
Mit
Carlos Núñez und der Philharmonie Südwestfalen
unter der Leitung von Chefdirigent Russell N. Harris
ist das 16. KulturPur-Festival auf dem Giller eröffnet
worden. Der galizische Dudelsack- Virtuose, der bereits
vor anderthalb Jahren als Bühnen-Derwisch das „Irish
Folk Festival“ in Kreuztal aufmischte, zog auch gestern
Abend gemeinsam mit dem heimischen Orchester das begeisterte
Publikum der Veranstaltung unter dem Motto „Sinfonic
Folk Inspirations“ in seinen Bann. Auf Blockflöte und
Gaita, dem spanischen Dudelsack, brillierte Núñez im
mit 1500 Gästen ausverkauften Zelttheater auf der Ginsberger
Heide bei Werken von Grieg und Strawinsky ebenso wie
bei Eigenkompositionen, Songs der Chieftains und Folk-Traditionals
(ausführlicher Bericht im Kulturteil der nächsten Ausgabe).
Foto: Kalle
Echt
gute Hexereien Die Kleine Hexe war der
erste Star auf der KulturPur-Bühne awe Grund.
Ein wenig kompliziert ist es für Kinder, an der Eröffnung
von KulturPur teilzunehmen. Erstens reservieren sich
die Großen fast alle Stühle, zweitens dauert so eine
Eröffnung ganz schön lang, und junge Menschen brauchen
Nachtruhe. Aber wem so etwas Großartiges wie KulturPur
einfällt, der hat auch gute Ideen für Kinder. Die brauchten
gestern, am ersten Tag des Pfingst-Festivals, nicht
bis zum Abend zu warten, um sich den schönen Dingen
widmen zu können, sondern durften – fast ganz unter
sich – KulturPur am Morgen im Kleinen Zelttheater beginnen.
Dort nahm man ganz gemütlich Platz unter riesigen bunten
Lampions, wärmte sich auf nach dem Gang durch die kühle
Frühlingsluft am Giller und konnte schon mal ausführlich
das Bühnenbild für das kommende Theaterstück studieren.
Wenn das mal nicht supergut hier mitten ins Rothaargebirge
passte: Es handelte sich nämlich um ein äußerst adrettes
Hexenhaus, das vom Theater auf Tour aus Frankfurt aufgebaut
worden war. Und ziemlich bald lernte man auch die Bewohnerin
kenne: Die kleine Hexe war hier zu Hause, zusammen mit
ihrem Freund, dem Raben Abraxas. Wer meint, dass kühles
Wetter oder nicht so gute Schulnoten Probleme sein könnten,
der wurde jetzt sehr schnell eines besseren belehrt:
Die kleine Hexe hat wirklich Probleme. Sie ist erst
127 Jahre alt und damit vielleicht auch zu jung für
eine abendliche KulturPur-Eröffnung und auf jeden Fall
viel zu jung für die Teilnahme am Hexentanz in der Walpurgis-
Nacht. Die steht in der Geschichte gerade unmittelbar
bevor, und die Kleine Hexe erhält die Chance, vor dem
Großen Hexenrat die Hexenprüfung abzulegen. Mit diesem
Examen in der Kittelschürzentasche darf jede Hexe nach
Lust und Laune, Hauptsache recht wild, am Hexentanz
teilnehmen. Tatsächlich freute sich die Kleine Hexe
auf die Prüfung, denn ein Jahr lang hatte sie sich eifrig
bemüht, eine gute Hexe zu sein und allerhand echt guten
Hexenzauber zustande zu bringen. Zusammen mit Abraxas
zählte sie ihre furchtbar guten Hexereien alle noch
einmal auf und sammelte damit auf jeden Fall Punkte
beim Publikum. Die erste Zuschauer-Schar bei KulturPur
fand es ausgesprochen gut, dass die Kleine Hexe den
armen Holz-Weibern gegen den etwas zu strengen Förster
half und den Maroni-Mann vom Niesen heilte. Die jungen
Menschen im Zelttheater hätten dem Blumen-Mädchen seine
Papier- Blumen auch ohne den zusätzlichen Duft- Zauber
der Kleinen Hexe abgekauft, hielten aber auch den für
einen sehr gelungenen Zauber. Anders als der Hexenrat:
Der verfügte, dank des Spitzel-Dienstes der Muhme Rumpumpel
über genaue Informationen. Jede der Hexereien hatte
die Muhme Rumpumpel fotografiert – alles Beweise gegen
die Kleine Hexe. Was die alten Hexen unter guter Hexerei
verstehen, unterscheidet sich nämlich erheblich vom
Publikums-Geschmack: Je boshafter ein Zauber wirkt,
um so besser finden sie ihn. Hatte sich die Kleine Hexe
ihren Hexentanz- Besen nun ganz umsonst für 7,50 im
Krämer-Laden angeschafft? Wer die Antwort in der Aufführung
im Kleinen Zelttheater verpasste, dem bleibt nichts
anderes übrig, als im Kleinen-Hexen- Buch von Otfried
Preußler nachzulesen. Oder nach einer Aufführung des
Theaters auf Tour Ausschau zu halten: Die spielen überhaupt
prima Theater, so gut, dass die Zuschauer des allerersten
KulturPur-Ereignisses mit Fug und Recht behaupten können,
sie waren beim Hexentanz.
|
03.06.2006
|
König
der Eidechsen auf dem Giller Ballett Kiel
tanzte Jim-Morrison-Biografie / Die Seele des Schamanen
bö Grund. „Stopp!“ Die Stimme aus dem Off kennt
keine Gnade. „Zurück in die Ausgangspositionen!“ Tanz
auf diesem Niveau ist Kunst und – ganz viel Training.
Stundenlang proben sie vor der Aufführung im KulturPur-Theaterzelt.
Gestern Abend liegen die Mühen des Tages hinter den
Tänzerinnen und Tänzern des Balletts Kiel. Die Eidechse
hat sich gehäutet, trägt im Licht der Scheinwerfer ihr
Festtagskleid. Zwei Vorhänge, schwarz und blutrot, öffnen
sich. Zwischen den bekannten und den unbekannten Dingen
sind Türen, „Doors“ eben. Und die Doors sind Ende
der 60er und Anfang der 70er die Speerspitze der amerikanischen
Rockmusik. Und Jim Morrison ist ihr Sänger. Ein Poet,
ein Junkie, ein Sexsymbol, ein Trinker. Und ein begnadeter
Schauspieler, der sich in eine hautenge schwarze Lederhose
zwängt und sich selbst als Rockstar inszeniert. So gut
gelingt ihm das, dass er seinem Alterego nicht mehr
entkommen kann. Endgültig zur Legende macht ihn sein
früher Tod 1971 in der Badewanne eines Pariser Hotelzimmers.
Nach Brian Jones, Janis Joplin und Jimi Hendrix ist
er der letzte der vier großen Stars, die zwischen 1969
und 1971 im Alter von nur 27 Jahren sterben. Wenn er
seinen Abgang nicht auch selbst inszeniert hat. Es gibt
immer noch Menschen, die glauben, dass das Grab im Pariser
Friedhof Père Lachaise leer ist. Man muss halt durch
die Türen gehen, um das Unbekannte zu entdecken.
Es
gibt unzählige Bücher über Morrison, die das Leben dieses
Jungen aus gutem Hause erklären wollen, der glaubte,
dass in seiner Kindheit ein indianischer Schamane in
seine Seele einzog. Nun versucht das Ballett von Mario
Schröder – natürlich mit der Musik der Doors – dem Phänomen
Morrison auf die Spur zu kommen. Ein tauglicher Versuch,
denn der Tanz ist bekanntlich eines der stärksten Mittel
des Schamanen. Und wie die Geisterheiler gehen Tänzerinnen
und Tänzer bis an ihre physischen Grenzen. Das ist Bewegung
pur, die mit immer wieder neuen Abfolgen von Sprüngen,
Pirouetten und Rollen auf der Bühne des sehr gut besuchten
Theaterzelts die Rockmusik visualisiert: schneller leben!
Im Mittelpunkt stehen Stojan Kissow und Oliver Preiß
in der Morrison-Rolle. Logisch, dass für den „König
der Eidechsen“, so der Titel des Balletts nach dem Gedicht/Song
„The Celebration Of The Lizard King“, ein Darsteller
nicht genügt. Sie visualisieren rasant und aufgedreht,
kontrapunktiert durch ruhige Momente, das Leben Morrisons
am Rande des Abgrundes. Ergründen können sie den Mythos
nicht, denn dann müssten sie vielleicht bis zum Mond
schwimmen. Neben „Moonlight Drive“ erklingen zahlreiche
weitere Doors-Klassiker. „Riders On The Storm“ entpuppt
sich als eine Art Themenmusik für Morrisons Leben, „Five
To One“ trifft immer noch mitten ins Schwarze und „Crawling
King Snake“ zeigt, wie sexy der Blues sein kann. Und
der Tanz natürlich. Eigentlich könnte sich das Auge
an den immer wieder packende Bilder auf die Bühne zaubernden
Tänzerinnen und Tänzern satt sehen, aber es bekommt
die volle Dröhnung. Videoeinspielungen machen zusätzlich
deutlich, dass es um mehr geht, als um eine Rockstar-Bio
in Motion. Gesellschaftskritik ist angesagt, und so
schließt sich der Kreis zwischen 2006 und 1968. Klar
kommt auch der Dichter Morrison zu Wort. Aber mal ganz
ehrlich, als Sänger war er besser. Bis zum bitteren
„The End“. Foto-Text: Mit ganz viel begeistertem
Beifall belohnte das Publikum die Leistungen des Balletts
Kiel, das gestern Abend nach 2003 („The Wall“ nach Pink
Floyd) zum zweiten Mal auf dem Giller zu erleben war
– mit vielen atemberaubenden, atmosphärisch gelungenen
Bildern, die emotional verdichtet Lebensstationen von
Morrison skizzierten. Foto: dima
Der Zirkusdirektor kommt
Die SZ sprach mit Ben Becker über sein
Kinski-Programm sz Siegen. Mit einem Pferd auf
die Bühne. Eine nackte Geigerin am Einlass. Lesungen
mit Ben Becker sind jedes Mal ein bisschen anders. Irgendeinen
Gimmick wird er sich auch für heute einfallen lassen.
Um 20 Uhr beginnt sein Klaus-Kinski- Programm „Fieber“
im Zelttheater bei KulturPur auf dem Giller. „Zirkusdirektor“
Becker versprach gestern am Telefon ein „Gesamtkunstwerk“
mit Bühnenbild, Wort und Musik – oder besser Tönen,
Geräuschen. Die helfen, den Text zu unterstreichen und
Bilder im Kopf der Zuhörer zu erzeugen. „Es ist eine
Klangkulisse und nicht so, dass ich aufstehe und noch’n
Lied singe.“ Kinski und Becker – sind das Brüder im
Geiste? Bloß nicht! Da windet sich Becker, an dem das
Label „enfant terrible“ haftet – von einer großen deutschen
Zeitung aufgepappt. Seelenverwandt sei er nicht mit
Kinski, aber „man kann versuchen, ihm nahe zu kommen“.
Schon als Kind fand der 1964 geborene Schauspieler Klaus
Kinski interessant, in den Edgar-Wallace-Filmen damals.
Heute kennt Becker all seine Filme, die Talkshowauftritte,
ist mit Kinskis Sohn befreundet und seit drei, vier
Jahren mit einem Literaturprogramm unterwegs, in dem
er Gedichte des frühen Kinski präsentiert. Die in einem
Koffer auf einem Dachboden in Paris gefunden wurden
– so was gibt es wirklich! Jemand ist im Internet auf
die Texte gestoßen, hat sie gekauft und hat Ben Becker
drauf gebracht, da was draus zu machen. Die Gedichte
seien echt, da ist er sich sicher. Es war im Jahr
1952, Klaus Kinski war 25 Jahre alt, er war schlimm
verliebt in ein todkrankes Mädchen in Paris: Da und
dann sind seine Texte entstanden. Es geht um „Sehnsucht,
Traurigkeit, Geborgenheit, Melancholie, den Schrei nach
Liebe, alles zusammen“, versucht Becker die Themen zu
beschreiben. „Ich unternehme den Versuch, das zu transportieren.“
Er hat sich in all den Jahren der „spannenden Persönlichkeit“
Kinski angenähert: „Am Anfang saß ich vor seinen Texten
wie das Kaninchen vor der Schlange.“ Es kann hart werden.
Und zart. „Ich weiß mit meiner Kraft hauszuhalten“,
sagt der Schauspieler, der mit seiner „Berlin-Alexanderplatz“-
Lesung bereits in Siegen war. Sein Publikum, und das
sei sehr angenehm, gehe durch die Generationen hinweg:
„Von Mitte 20 bis Mitte 90.“ Für alle, die sich vor
einem Satz rote Ohren fürchten, hat Becker noch die
Information, dass sein Programm „nicht in eine Publikumsbeschimpfung
ausarten“ wird. Wenn es um Sehnsucht, Liebe, Traurigkeit
und Geborgenheit geht, geht es vielleicht auch um Gott?
„Absolut“, meint Becker, „aber nicht zu verstehen im
Sinne der Lehre der Kirche.“ Aus irgendeinem Grund ist
das im Moment ein großes Thema in Ben Beckers künstlerischem
Schaffen. Seit sechs Wochen arbeitet er an einem Gesamtkunstwerk
zur Bibel. „Dazu habe ich seit zweieinhalb Jahren Bilder
im Kopf“, sagt er. In drei Monaten möchte der „Zirkusdirektor“
(hier fällt das Wort noch einmal), an dessen Literatur-Musik-Programmen
mittlerweile rund 25 Menschen beteiligt sind, die Wirkung
bei einer öffentlichen Probe überprüfen. Religiöse Themen
liegen bei dem keinesfalls religiös erzogenen Becker
derzeit irgendwie in der Luft: „Ein ganz gewöhnlicher
Jude“ hat er fürs Kino gedreht, und fürs ZDF spielt
er in der Reihe „Deutsche Giganten“ Martin Luther. Jetzt
aber erst mal das Kinski-Programm bei KulturPur. Wen
das „Fieber“ infiziert hat (und wer wissen will, was
diesmal der besondere Gimmick an Beckers Lesung ist),
der erhält für die heutige Vorstellung ab 10 Uhr morgens
Karten an der Festivalkasse auf dem Giller. Regine Wenzel
Draußen
kalt – innen heiß, heiß, heiß! Galizischer
Dudelsack- und Flöten-Virtuose Carlos Núñez bescherte
KulturPur Traum-Start aww Grund. Vor dem Konzert:
nass und kalt. Nach dem Konzert: nass und kalt. Dazwischen:
trocken und heiß, heiß, heiß! Carlos Núñez hat dem 16.
Kultur- Pur-Festival am Donnerstagabend einen Traum-Auftakt
beschert. Obwohl es dem Galizier zufolge in dessen nordspanischer
Heimat wettermäßig nicht viel anders aussieht als im
Siegerland, denn: „It rains all the time“, schaffte
es der sympathische Flöten- und Dudelsack-Virtuose im
mit 1500 Besuchern voll besetzten großen Zelttheater
mühelos, die empfindlichen Außentemperaturen auf der
Ginsberger Heide komplett vergessen zu machen. Mit Verve
und Esprit feuerten Núñez und seine beiden Mitstreiter
Pancho Álvarez (Bouzouki) und Xurxo Núñez (Bodhrán,
Trommel, Tambourin) gemeinsam mit der Philharmonie Südwestfalen
pausenlos einen Kracher nach dem anderen ab, so richtig
schön in Kettenreaktion-Manier. Das war wie eine einmal
entzündete und nicht mehr zu stoppende Kette Ladykracher.
Paff, piff, paff . . . Mit Halligalli hatten die
„Sinfonic Folk Inspirations“, die im Rahmen des WDRMusikfestes
für den Hörfunk aufgezeichnet wurden, allerdings überhaupt
nichts zu tun. Natürlich ging oft mächtig die Post ab,
etwa wenn Carlos Núñez und Co. mit flotten irischen
Tunes eine Lehrstunde in virtuoser Instrumentenbeherrschung
gaben oder wenn die Philharmonie Südwestfalen mit dem
„Danse infernal“ und dem „Finale“ aus Strawinskys „Feuervogel“
so richtig zeigte, was sie drauf hat. Aber es durfte
manches Mal auch schön langsam und melancholisch werden.
Núñez’ eigentliches Kapital sind nämlich nicht effekthaschende
gymnastische Fingerübungen im Hochgeschwindigkeitsformat.
Das ist zwar beeindruckend und gehört dazu, ist aber
für ihn ganz offensichtlich „bottom line“ – er kann
es einfach. Was bei dem musikalischen Grenzgänger mit
dem nahezu unerschöpflichen Fundus an Instrumenten zwischen
Gaita (galizischer Dudelsack), Block- und anderen Flöten
und Schalmei hinzukommt, ist sein unglaublicher Ton,
die tiefe Emotion, die er in jedes Glissando, in jedes
Vibrato hineinlegt. Und das spürbare Die-Musik- Leben
und In-ihr-Aufgehen. Das sieht man ihm an, wenn er sich
fast in Zeitlupe über die Bühne bewegt, als wolle er
es unbedingt vermeiden, die Musik durch seine Bewegung
irgendwie zu stören, wenn er mit geschlossenen Augen
sich im Spiel windet, wenn er mit spanischem Temperament
lautstark das Publikum anheizt. Das alles ohne jegliches
Gehabe, ohne jede Pose, sondern ganz authentisch, echt.
Der Mann kann einfach nicht anders. Man sieht es aber
nicht nur, man – und das ist wichtig! – hört es auch.
Wunderschön gerieten die Passagen, wenn Orchester
und Spanier gemeinsam musizierten: Jubel etwa nach der
anrührenden Interpretation des langsamen Satzes aus
Rodrigos „Concierto de Aranjuez“, dessen Gitarrenpart
Núñez trefflich auf die Gaita transferierte. Mit der
„Galician Ouverture“ von Paddy Moloney schafften es
die Akteure zum Finale des offiziellen Programms, ihre
Zuhörer in einen wahren Klangrausch zu versetzen. Komplettiert
wurde das Ganze mit solistischen Darbietungen von Carlos
Núñez und seinen Musikerkollegen und von reinen Orchesterstücken:
Hier zeigte die Philharmonie ein glückliches Händchen
bei der Auswahl von eingängigen, mitreißenden Kompositionen
wie etwa aus Griegs „Peer-Gynt“-Suite (klasse: „In der
Halle des Bergkönigs“). Dass sich Orchestermusiker nicht
zwangsweise nur im klassischen Bereich auskennen, bewiesen
im Zusammenspiel mit Núñez die Harfenistin Lucian Brady
und Birgit Heydel, die sich als talentierte Fiedlerin
entpuppte. Bei allem Schönen dürfen aber auch die
kleinen Wermutstropfen nicht unerwähnt bleiben: Beim
mikrofonierten Orchester waren die Holzbläser zu leise
eingestellt, bei der Tonabnahme der Harfe war irgendwie
der Wurm drin, und die Gesamtlautstärke bewegte sich
zumindest im vorderen Zeltbereich an der oberen Grenze.
Ansonsten: eine Weltklasse- Veranstaltung, bei der es
angesichts des begeistert jubelnden Publikums natürlich
nicht bei einer Zugabe bleiben durfte.
Foto-Text: Ein Virtuose, wie er im
Buche steht: Carlos Núñez wurde bei der Auftaktveranstaltung
zum 16. KulturPur-Festival frenetisch vom Publikum gefeiert.
Foto: Kalle
|
06.06.2006
|
Christina
„stürmte“ feiernden Giller Konzert der
Österreicherin begeisterte das Publikum im ausverkauften
Zelttheater maha Grund. „Warum sollte ich mich
verstellen und von Lügen umgeben, wenn ich doch ganz
sicher weiß, was ich will vom Leben?“ Christina Stürmer
ist jung und hübsch. Und selbstbewusst. Aber die 22-jährige
Sängerin aus Österreich hat noch einiges mehr zu bieten
– und dies ist seit einiger Zeit auch in Deutschland
kein wirkliches Geheimnis mehr. „Zum Glück“, wie ihre
stetig wachsenden deutschen Fanscharen freudestrahlend
zu bemerken wissen. Während Christina Stürmer und Band
in ihrer Heimat seit dem mehr als 100 000-mal verkauften
Debütalbum „Freier Fall“ auf einer absoluten Erfolgswelle
schwimmen und
als die größten „Popstars seit Falco“ gefeiert werden,
ist die Eroberung des deutschen Marktes derzeit noch
im Rahmen ihrer „Schwarz- Weiß-Tour“ im vollen Gange.
Ein Erfolg versprechender Weg, wie sich am Sonntagabend
im ausverkauften KulturPur- Zelttheater zeigte: Denn
auch im Siegerland kann Christina Stürmer bereits auf
eine große Fangemeinde verweisen. Tendenz wachsend.
Doch immer eins nach dem anderen: Nachdem die Siegerländer
Jungs von „Les Mercredis“ als Vorband des Abends das
Publikum mit ihrem bisweilen eingängigen Elektropop
der Marke „Synthesizer meets Gitarre“ in ausgelassene
Konzertstimmung gebracht hatten, betraten um kurz vor
halb neun zur großen Freude der Zuschauer die österreichischen
Erfolgsexporte die zunächst äußerst sparsam illuminierte
Bühne. Und wer glaubte, das Konzert würde so langsam
ins sprichwörtliche Rollen kommen, der musste sich schnell
eines Besseren belehren lassen: Kaum waren die ersten
Akkorde des Openers „Glücklich“ erklungen, schien es,
als liege der Giller mitten in Österreich. Sichtlich
erfreut über die Begeisterung ihrer Zuhörerschaft, „stürmte“
Christina Stürmer souverän mitsamt ihrer Band zu einem
fulminanten Gastspiel auf dem Giller. Mit viel Gefühl
und Power in der Stimme, eingängigen Texten in deutscher
Sprache und einer mittlerweile sehr farbenfroh in Szene
gesetzten Bühne wandelte sich die Stimmung schnell zu
einer Euphoriewelle, bei der nicht nur auf der Bühne
ausgiebig getanzt und geschunkelt wurde. Dies mussten
auch die Besucher auf den Sitzplätzen erkennen und einsehen,
dass sie sitzend keinen Blick mehr auf die Bühne genießen
würden. So präsentierten Stürmer und Co. zwischen
Pop, Ska und Rock eine illustre Auswahl aus ihren drei
Longplayern – insgesamt 20 Lieder, gespickt voller Emotion
und Visionen – immer getragen von Ehrlichkeit und Authentizität.
Hier, da war sich das Publikum sicher, ist jemand auf
der Bühne, der 100-prozentig hinter dem steht, was er
macht. Und auch ihre Bandmitglieder stellten während
ihrer eindrucksvollen Soli unter Beweis, dass sie ihr
Handwerk nicht während einer Casting- Show erlernt haben.
Am Ende feierten Christina Stürmer und ihr Publikum
eine Deutsch-Rock-Party, bei der eines „schwarz auf
Weiss“ festzuhalten bleibt: Von dieser Christina Stürmer
werden auch die Deutschen so schnell „Nie genug“ bekommen.
Foto-Text: Christina Stürmer feierte
auf dem Giller mit ihrem begeisterten Publikum einen
gelungenen Konzertabend. Foto: maha
Ein
bisschen mehr Action „Yeeehaw“: Mörder-Country-Show
von The BossHoss zel Grund. Das Kleidungsstück
der Wahl ist ein weißes Feinrippunterhemd. Tätowierungen
werden gern genommen. Hut auf, Stiefel an. Jeans, fette
Gürtelschnalle. So sehen Großstadtcowboys aus. Die Jungs
auf der Bühne sind nicht das dreckige Dutzend, sondern
die glorreichen Sieben. Es sind The BossHoss aus Berlin.
Und sie sind gekommen, um das kleine Theaterzelt am
Freitagabend bei KulturPur auf dem Giller zu rocken.
Rappelvoll ist es zur LateNight-Show, Cowboys und -girls
auch im Publikum, die imaginäre Lassos schwingen. Den
vielen hundert Kehlen entfährt immer wieder ein quietschendes
„Yeeehaw“. Zum Jauchzen gibt es allen Grund. Boss
und Hoss, Russ und Guss, Frank und Hank sowie Ernesto
liefern eine Mörder- Show. Gerade ist ihr zweites Album
„Rodeo Radio“ erschienen, das gleich auf Platz 6 in
den deutschen Charts eingestiegen ist. Der Bedarf ist
offenbar da: siehe Texas Lightning, die mit Country
made in Germany beim Eurovision Song Contest in Athen
an den Start gingen. Aber The BossHoss sind natürlich
viel cooler, schlaksige Lucky-Luke-Typen, und siebenmal
Sex auf Beinen. Finden die Mädels. Für die erste Single
aus ihrem neuen Album haben sich The Bosshoss Aretha
Franklins „I Say A Little Prayer“ vorgeknöpft und daraus
eine hübsches Stückchen Countrymusik gemacht. Das Video
dazu läuft zu Beginn, aber live geht‘s später natürlich
noch besser rein. Die Band schreckt echt vor nichts
zurück, und das ist gut so: Elvis’ „A Little Less Conversation,
A Little More Action“, Outcasts „Hey Ya“, das funkige
„Upside down“, De La Souls „Ring Ring“, „My Favourite
Game“ von den Cardigans und sogar „Ca Plane Pour Moi“
sind nicht vor ihnen sicher und eigentlich echte Countrynummern,
wenn man’s nicht besser wüsste, zu spielen mit Kontrabass,
Waschbrett und Harmonika und Gitarren und zu singen
mit tiefer, sehnsüchtiger Stimme. Dazwischen mischen
sich genauso gut eigene Stücke. Immer härter, immer
schneller, trashiger, punkiger geht es zur Sache. Es
ist „Hot In Here“, der Saloon kocht! They’re „Unbelievable“!
Die Frontmänner Boss und Hoss quatschen in breitem Amerikanisch
mit dem Publikum, lassen die Girls und Boys getrennt
mitsingen. Später dürfen einige auf die Bühne, tanzen
mit, spielen mit, werden vom Publikum auf Händen durchs
Zelt getragen – unvergesslich. „Wir sehen uns an der
Bar“, heißt es zum Ende, und so ist es. Fotos machen,
Autogramme holen, geht alles mit den Jungs von BossHoss.
Und übern Giller schallen noch einige „Yeeehaws“, als
die abgekämpften, aber glücklichen Cowgirls und -boys
nach Hause reiten. Guter Abend, heiße Show – „thankx“!
Foto-Text: Die Großstadtcowboys von
The BossHoss waren auf den Giller gekommen, um in einer
heißen LateNight-Show das kleine Theaterzelt countrymäßig
zu rocken. Foto: dima
Im
Zelt regierte der Viervierteltakt Power!Percussion
powerte – das Publikum auch / Rhythmisches für Auge
und Ohr aww Grund. Die Masse macht’s eben doch
manchmal. Die fünf Drummer des Münchner Ensembles Power!Percussion,
eigentlich 18-Uhr-„Vorabend“-Act auf dem Giller, hatten
schon im Vorverkauf so viele Tickets abgesetzt, dass
die Show vom kleinen ins große Zelttheater umziehen
durfte. Das riesige Publikumsinteresse katapultierte
die Rhythmus- Freaks unversehens in exorbitante TopAct-Sphären.
(Der eigentliche TopAct des KulturPur-Samstags, Ben
Becker, musste dagegen seine Kinski-Gedichte untern
Arm klemmen und nach nebenan wandern; was wiederum seiner
Show gut tat, denn die weitaus geringere Zuschauermenge,
die noch nicht einmal das kleine Zelt füllte, hätte
sich im großen schlicht verloren – aber das ist ein
anderer Artikel . . .) Folglich regierte am frühen
Abend auf der Ginsberger Heide der Viervierteltakt.
Und er regierte laut, denn die fünf Jungs haben offenbar
nicht nur Rhythmus im Blut, sondern auch jede Menge
Schmalz in den Muckis. Und wo viel „Power“ ist, da werden
Trommelfelle nicht eben zart gestreichelt – weder die,
die von Schlegeln und Drumsticks verbimst werden, noch
die menschlichen. Bizeps allein nützt da allerdings
nichts, weswegen man immer noch auf eine satte PA angewiesen
ist. Doch selbst die war zum Schluss überfordert, und
zwei der Kesselpauken brachten die gigantischen Lautsprecherboxen
mächtig zum Zerren. Ums kurz zu machen: Ein Set Ohropax
wäre nicht das Verkehrteste gewesen an diesem Abend
– zumindest nicht, wenn man in einer der vorderen Reihen
saß. Nach der sphärischen Eingangs-Improvisation
mit Rainmaker, Ocean Drum, Cajon und anderen Percussion-Instrumenten
ging das Drum-Feuerwerk auf zwei mächtigen großen Trommeln
und vier Kesselpauken los. Nicht nur hörens-, sondern
auch sehr sehenswert war die anschließende choreographierte
Rhythmus- Performance auf vier Haushalts-Leitern: „Steps“
– schon ganz früh ein echtes Highlight. Auch ein Hingucker:
das Bäumchen- wechsel-dich-Spiel „Buckets“, bei dem
vier Plastikmülleimer nicht nur in rhythmische Harmonie
gebracht wurden, sondern auch noch im Tiefflug die Spieler
wechselten. Trommeln, Snares und Bongos wurden ebenso
„abgeklopft“ wie fachfremde Gegenstände – Ölfässer oder
amerikanische Mülltonnen zum Beispiel. Zwischendurch
wurde es dann auch mal leiser. Faszinierend die Body-Percussion-
Nummer „Clap Trap“, zum Träumen ein wunderschönes Marimbaphon-Solo
und der anschließende, außereuropäisch anmutende Chill-Part,
der mit seinen sieben Vierteln einen angenehmen Kontrast
zum ansonsten dominanten Vierertakt bildete. Power!Percussion
wurde seinem Namen gerecht. Aber nicht nur die fünf
Herren auf der Bühne powerten. Das Publikum war aus
dem Häuschen und tat es ihnen nach – beim Applaudieren!
Foto-Text: Bei der Show von Power!Percussion
ging die Post ab, und das Publikum ging mit. Foto: dima
Ben
Becker lebte Klaus Kinski Große Lese-
und Darsteller-Kunst: „Fieber“ im kleinen Zelttheater
aww Grund. Am Ende gab es stehenden Applaus
für eine monumentale Performance: Ben Becker sprach,
faselte, schrie, jammerte, ätzte, geiferte Klaus Kinski.
Mit einer Stimme, einem Timbre, einer Expressivität
und einer Gestaltungskraft, die nur wenige, ganz große
Künstler, ihr Eigen nennen dürfen. „Fieber“ war mehr
als Lesung, es war die Personifizierung des jungen Kinski,
dessen Gedichte („Tagebuch eines Aussätzigen“), vor
einem halben Jahrhundert geschrieben und erst lange
nach seinem Tod 1991 entdeckt, Becker mehr lebte, denn
darstellte und vortrug. Große Kunst traf hier auf ein
Festival mit Event-Charakter, und siehe da: Es funktionierte,
wenn auch selbst nach dem Umzug ins kleine Zelt (vgl.
den Artikel zu Power!Percussion) viele Plätze leer blieben.
Der großen Kunst Ben Beckers hat der begeisterte Beifall
– auch szenenweise – zweifelsohne gegolten. Inwieweit
er dem zweifach in Überlebensgröße über der Bühne prangenden
Kinski galt, kann hier nicht geklärt werden. Es dürfen
zumindest Zweifel aufkommen angesichts der Tatsache,
dass die anderthalb Stunden trotz Beckers fulminanter
Leistung nur schwer zu ertragen waren. Dieser Umstand
indes war einzig der literarischen Vorlage zuzuschreiben,
deren Destruktivität, explizite Wortwahl und teils schlichte
Verworrenheit nur robusten Gemütern zur geistigen „Erbauung“
anzudienen ist. Verschiedentlich gaben sich Zuhörer
auch schon vorher geschlagen und verließen das Zelt
(was Becker zu Kommentaren wie „dann geh doch nach Hause“
oder „es geht auch ohne die“ hinriss). Kinskis verstörende
Gedichte sind Seelenschau, sind Psychographie ihres
Verfassers zur Zeit der Niederschrift. Und wer Kinski
auch nur andeutungsweise, schemenhaft kennt, wusste,
dass mit romantischer Lyrik, die das Abendrot besingt,
kaum zu rechnen war. In den besten Momenten offenbaren
die Zeilen etwas von der Zerrissenheit der Kinski’schen
Persönlichkeit, einer Persönlichkeit, die ihrer selbst
überdrüssig ist („Meine Haut brennt mir wie Feuer“),
die Anklage führt gegen Gott, gegen die Welt, gegen
die Gesellschaft. „Warum habt ihr den alten Hund gepeitscht?“
– Fragen wie jene zeigen einen Mann, der die Bosheit
der Menschen nicht begreifen kann. In vielen anderen
Momenten entwickelt ein offensichtlich über die Maßen
phantasiebegabter Kinski nicht mehr nachvollziehbare
Szenarien und Bilder bis hin zum völlig Absurden. Manches
nutzt sich auch einfach ab: Kinski hatte augenscheinlich
Lieblingswörter (Hure, Blut, Fieber, Eiter etc.), die
– mehrfach in kürzester Zeit gehört – allen Reiz verlieren.
„Musikalisch“-geräuschhaft untermalt und umrahmt wurde
die szenische Lesung von der Zero Tolerance Band, die
dem Ganzen eine zusätzliche Klangfarbe gab. Nett, aber
kaum notwendig. Becker hätte auch alleine bestanden.
Foto-Text: Ein großer Darsteller und
Sprecher: Ben Becker gab als Samstags-TopAct bei KulturPur
Gedichte des jungen Klaus Kinski zum Besten. Foto: dima
Jeder
Verrückte ist anders Ein bisschen Karneval
zu später Stunde: Sommerstunk 2006 zel Grund.
Weiter entfernt von der Karnevalszeit kann man eigentlich
nicht sein als zu Pfingsten. Egal. Jeder Verrückte ist
anders – warum also keine Stunksitzung im Sommer? Man
muss es ja nicht Karneval nennen, sondern Kabarett,
dann funktioniert’s. Mit dem Besten aus 22 Jahren Stunksitzung
waren am Samstagabend ehemalige und aktuelle Ensemblemitglieder
aus Köln auf den Giller gereist, um zu später Stunde
ein gut gelauntes Völkchen im großen Zelttheater zu
unterhalten. Das kleine Zelt wäre atmosphärisch dafür
besser geeignet gewesen, aber da war vor einer Stunde
erst die Lesung mit Ben Becker zu Ende gegangen. Ex-Sitzungspräsident
Reiner Rübhausen moderierte und kommentierte die Nummern
aus den 80ern, 90ern und dem neuen Jahrtausend. Da kamen
so manche Themen wieder auf, die mittlerweile echt „durch“
sind: etwa die „Ausziehung der Lottozahlen“ auf RTL
(1991), die sechs gut gebaute „Stunker“ in leichter
Bekleidung à la „Tutti Frutti“ auf die Bühne brachten.
Oder die Grünen Ende der 80er: Wolfgang Nitschke als
zu kurz gekommener, Galle spuckender Realo gegen die
Fundis. Oder Udo Lindenberg und Tina, die ein Friedensliedchen
zwitschern: „Wozu sind Kriege da?“ Tja. Die Stunksitzung
auf dem Giller ging natürlich nicht ohne Karnevalsthemen
ab. Köstlich die hochdeutsche Übersetzung kölscher Lieder
(„Ich bin ein Trickdieb“) von Bruno Schmitz und Doro
Engelhaaff wie auch die kölsche Version von „Dinner
For One“, in dem ein alterndes Mariechen den armen Köbes
Manes schafft: „Dasselbe Prozedere wie jedes Jahr.“
Der Stolper-Tiger war in diesem Fall ein gefallener
Lumpenclown. Nette Idee. Einen Riesenaufmarsch mit allen
zwölf Mitwirkenden gab es beim traurigen Einzug des
untoten Dreigestirns mit Gefolge aus dem Jahr 1991.
Die Armen waren wegen des Golfkriegs um die Session
ihres Lebens gebracht worden und schworen Rache. Berühmt-berüchtigt
ist die Stunksitzung für politische Themen: Beim „Krätzche“,
gesungen von drei Ford-Zwangsarbeitern, gefror einem
das Lächeln. Da funktionierten die leisen Töne, ja,
sie taten sogar gut. Ansonsten waren die „Stunker“ eher
lauter und frisch voran, etwa bei der vehementen Aufforderung
der gespielten Senioren an den Saal, hier und jetzt
für Nachwuchs zu sorgen. Ging so. Was richtig gut
ging, war die Musik. Kein Köbes Underground, sondern
die einst „verliebten Jungs“ Purple Schulz (Keyboard)
und Josef Piek (Gitarre) sorgten für den guten Sound,
hier und da unterstützt von mehreren Mitstreitern. Klasse
Adaptionen von „Aischa“ („Mariesche“), „Addicted To
Love“ („Zu dick für Alaf“) oder „In The Ghetto“ („Troisdorf-
Sieglar“) brachten gute Laune. Alles in allem war Sommerstunk
2006 auf dem Giller eine Wundertüte mit vorwiegend heiterem
Inhalt, allerdings voll gestopft bis hinten gegen: Nach
fast anderthalb Stunden war erst Pause. So gegen 1 Uhr
machten sich Ermüdungserscheinungen breit. Es war halt
doch nicht Karneval – da hält man besser und länger
durch. Foto-Text: Wenn man ihn Kabarett
nennt, dann funktioniert Karneval auch im Juni: Herzlich
willkommen zur Stunksitzung bei KulturPur! Foto: dima
Glam-Rock-Revival
auf dem Giller: Mit einem virtuosen Live-Konzert
haben die englischen Rocklegenden von The Sweet am späten
Sonntagabend den vierten KulturPur-Tag mit treibenden
Gitarrenriffs und unvergesslichen Evergreens fulminant
ausklingen lassen. Dabei knüpfte die Formation um Bandmitbegründer
Andy Scott (kleines Bild) vom ersten Takt an mit ihrer
Bühnenshow an die glamourösen Banderfolge der 1970er
und 1980er Jahre an. Kein Wunder, dass das begeisterte
Publikum bei unvergesslichen Rock- Hymnen wie „Ballroom
Blitz“, „Fox On The Run“, „Love Is Like Oxygen“, „Blockbuster“,
„Action“ oder „Wig-Wam-Bam“ das kleine Zelttheater nonstop
erbeben ließen und bis tief in die Nacht die guten alten
Zeiten der „Glam-Rock“-Ära wieder aufleben ließen. Diese
vier Jungs gehören definitiv noch lange nicht zum Eisen
und machen auch in ihrem inzwischen 40. Bandjahr noch
vielen dubiosen Möchtegern- Nachwuchs-Rockern jederzeit
etwas vor. Am Ende feierten Fans wie Musiker ein ausgelassenes
Rock-Revival, dass sicherlich so schnell nicht vergessen
wird - da konnte auch die leichte Erkältung von Ausnahme
Gitarrist Andy Scott nichts ändern. Fotos: maha
Ganz, ganz viel gegeben A-cappella-Gruppe
6-Zylinder gestaltete eine unterhaltsam-musikalische
Matinee ciu Grund. Es regnet. Durchweg. Aber
nein, nicht was Sie denken! Es regnet Rosen. In Rot
und in Gelb und aus Plastik. Erst fliegen die edlen
Blumen in die Ränge, dann segeln sie zurück, damit die
Sänger – sechs Herren, wie aus dem Ei gepellt – darin
baden können. Und so ist das Spiel mit den Rosen ein
Bild für ein Konzept, das aufgeht: Die Matinee der 6-Zylinder
war ein stetes Geben und Nehmen. Von Lachen und Seufzen,
Singen und Summen, Klamauk und ganz viel Seele. Da war
schnell vergessen, dass die angekündigten 101 Tenöre
aus den Chören der Region (siehe eigenen Bericht) nicht
mit auf der Bühne standen – Tilo Beckmann, Wenne Voget,
Nicolas Leibel, Jos Gerritschen, Thomas Michaelis und
Henrik Leidreiter sind seit Jahren Manns genug, mit
einem knapp zweistündigen Programm weit über 1000 Menschen
(noch vor dem Mittagessen!) glücklich zu machen.
„Wir
bleiben, wie wir sind“, sangen 6- Zylinder über sich.
Und blicken bei ihrem Gegenüber über alles Vordergründige
hinweg: „Bei mir bist du schön!“. Ganz sicher, ob all
das wahr ist, was dort völlig ohne instrumentale Begleitung
(lassen wir die Triangel einmal außen vor) gesungen
wird, kann das Publikum selten sein. Immer gehört ein
satter Schuss feiner Ironie, ein gutes Stück Bissigkeit
in das musikalische Menü der Sänger, die bei aller stimmlicher
Finesse auch richtig gute Performer sind. So rastet
Bass Henrik Leidreiter bei „Auf Wiederseh’n in Garmisch-
Partenkirchen“ auf seinem Klappstuhl total aus, und
der Jodler dazu hat sich ordentlich gewaschen. Ähnlich
grotesk: die Bauernpolka „Kleines Edelweiß“, mit der
sich Countertenor Tilo Beckmann als ach so verklemmter
Bursche gibt, während die fünf Kameraden, sichtlich
gealtert, sich nur für den Schuhplattler noch von der
Rentnerbank erheben können. Die schönste Singstimme
der 6-Zylinder hat der Holländer Jos Gerritschen, der
mit Billy Joels „For The Longest Time“ ordentlich Tempo
und die holländische Nationalelf mit „Everybody Get’s
A Second Chance“ für die Fußball-WM fit macht und der
einen passablen „King Of Rock ‘n’ Roll“ abgab. Ganz
viel Komik ins Spiel bringt Thomas Michaelis als stocksteifer
Engländer und als „Zementmeister“; Winne Voget outet
sich mit dem souligen „Ebbe und Flut“ als Nordlicht;
Nicolas Leibel entführt mit „Buena sera, Signorina“
in ein Italien, das auch englische Liebessäuseleien
versteht. Egal, wer gerade mitten im schönen Bühnenlicht
steht: Immer kann er sich auf dem musikalischen Klangteppich
(war da nicht doch irgendwo eine Band?!?) sicher bewegen.
Natürlich forderten die Menschen unterm Zeltdach Zugaben.
Natürlich bekamen sie sie: „Staying Alive“ von den
Bee Gees, zum Beispiel (klasse gesungen und klasse gespielt!),
das fröhlich-ausgelassene „Thank God, I’m A Country
Boy“ und ein Liebeslied: „When I Need You“. Ganz am
Schluss folgte dem Geben wieder ein Nehmen: „Amazing
Grace“, gesummt und auf „Na, na“ gesungen vom Publikum. Foto-Text:
Zum Genießen still und schön. 6-Zylinder überzeugten
mit stimmlicher Finesse und tollen Performances. Foto:
dima
Welch Malheur! „Ich
bin so was von enttäuscht.“ Hermann Otto, Präsident
des Sängerbunds Nordrhein-Westfalen und Vorsitzender
des Sängerkreises Siegerland, hatte sich den Pfingstmontagmorgen
bei KulturPur anders vorgestellt. 101 Tenöre aus Siegerländer
Chören hätten eigentlich mit 6-Zylinder auf der Bühne
im großen Zelttheater stehen sollen. Und wenn nicht
genau 101, dann doch 80 oder 60. Oder wenn es wenigstens
50 gewesen wären! Doch zur Generalprobe um Schlag neun
Uhr früh erschienen sage und schreibe acht Sänger. Zu
wenig, um bei drei Songs die sechs A-cappella-Stars
zu flankieren. Peinlich, peinlich. Aber vermeidbar?
Vielleicht. Denn auch nach mehrmaligem ermunternden
Aufrufen, blieb das Echo gering. Möglicherweise hätte
der Sängerkreis-Vorsitzende ein paar Wochen früher die
Reißleine ziehen und absagen müssen. So glaubte gestern
Morgen mancher im Publikum, Kreiskulturreferent Wolfgang
Suttner scherze, als er sagte, es hätten sich nicht
genügend Tenöre für die Show gefunden. Offenbar hatten
sich die KulturPur-Macher fest auf die Chöre im Sängerkreis
verlassen – und erfuhren zu spät von dem Malheur. ciu
Man
trifft sich bei KulturPur Auf der Heide
lockten viele Angebote zum Anschauen, Mitmachen und
Begegnen gmz Grund. Man trifft sich bei Kultur-
Pur auf dem Giller: „Ach, ihr auch hier?“ – „Ja, wir
wollten mal . . .“ So oder ähnlich konnte man auch am
Sonntagnachmittag bei vergleichsweise gutem Wetter viele
Begegnungen beobachten, wenn man über die (in einem
kleinen Teil sogar wegen Matsches gesperrte) Ginsberger
Heide schlenderte. Das trockene, wenn auch noch
recht kühle Wetter lockte im Laufe des Nachmittags zusehends
mehr Menschen auf den Giller: Man sah sich mal an, was
so geboten wurde, vielleicht vor einer Abendveranstaltung,
vielleicht als Pfingstspaziergang, hielt ein Schwätzchen
mit Bekannten, nutzte die Angebote der Gastronomie,
machte einen Spaziergang zur Ginsburg, wo das Hilchenbacher
Hoftheater Aristophanes’ Klassiker „Lysistrate“ aufführte,
diesmal bei besserem Wetter und wieder unter geschickter
Einbeziehung der wunderbaren Naturkulisse in das Stück.
Wenn es doch mal gelänge, Aristophanes Idee konsequent
in die Tat umzusetzen (bzw. eben in die nicht-Tat!)!
Begleitet wurde der Bummel auf der Ginsberger Heide
auch vor den Zelten von den Klängen der Band BB’s Finest,
die nicht nur im „Mittelzelt“ mit ihren Coverversionen
bekannter Songs die Zuhörer unterhielten, an „alte Zeiten“
erinnerten, in Erinnerungen schwelgen ließen. Wer nicht
in Erinnerungen schwelgte, der konnte sich amüsieren
lassen, beispielsweise von der absurden (und gleichzeitig
perfekt inszenierten) Akrobatik der Londoner Covent
Garden Streetperformer, die mit Einrad und Gymnastikball
wunderbare Jonglage-Nummern zeigten. Doch noch witziger
war, zuzusehen, wie sie es dann doch noch irgendwie
schafften, ihre Auftritte so weit vorzubereiten, dass
sie auch mal jonglieren konnten. Wirklich gekonnt! –
Das WDR-Zelt lud mit Klang-Skulpturen zu einer „anderen“
Kunst-Begegnung ein.
Die
jüngeren Besucher bearbeiteten (nach Anmeldung) mit
Verve und genauer Vorstellung Baumstämme, um daraus
ihre persönlichen „Mini-Möbel“ herzustellen – zweckmäßige
Dreibeiner, fein behauene Tische oder prächtige Lehnstühle,
grobe Hocker oder imposante Throne. Im Zelt konnten
sie, ebenfalls unter der Anleitung von Mitarbeitern
der Jugendkunstschule, ihre Traum-Zimmer im Schuhkarton
oder auf Tapetenwänden zaubern: Es war eine „Mini-Möbel-Messe“
vielleicht zukünftiger Designer! In MOMUs Rockmobil
nebenan konnte man unterschiedliche Instrumente ausprobieren
und so vielleicht „seinem“ Instrument begegnen. Vor
dem Theaterwagen der Freiburger Puppenbühne verfolgten
Kinder gespannt mit ihren Eltern, wie der Kasper mit
Hilfe seines treuen Hundes Bello den armen König Leopold
aus den Klauen des bösen Zauberers befreite, und gaben
dem tapferen Kasper-Helden auch lautstark Tipps, wie
er den Tricks des Zauberers entgehen könnte. Andere
wiederum machten sich auf zur „geheimen Waldwerkstatt“,
wo man mit Früchten, Stöcken, allerlei Waldfundstücken
u. a. Waldschrate und Knüppelgeister oder einfach ein
paar haptisch ansprechende Mooskugeln herstellen konnte.
Försterin Christa Vitt-Lechtenberg vom Forstamt Hilchenbach
betreute diese Abenteuer-Werkstatt. – Man traf sich
nicht nur auf dem Giller, sondern man konnte sich seine
„Kultur“ aus dem Angebot aussuchen und „selber machen“!
KulturPur 2006 zog ein junges
Publikum an Suttner: „Wir sind sehr
zufrieden, glücklich und entspannt“ sz Grund.
Bis gestern Abend spät stand die Ginsberger Heide
ganz im Zeichen von KulturPur. Schon am Nachmittag
zog Festivalleiter Wolfgang Suttner, der Kulturreferent
des Kreises Siegen-Wittgenstein, sein persönliches
Resümee: Wir sind sehr zufrieden, ganz glücklich
und entspannt.“ Warum? Zum einen, weil das Publikum
in Scharen auf den Giller reiste. „Wir hatten 20
Prozent mehr Besucher als im Vorjahr. Insgesamt
schätzen wir, dass über 55 000 Menschen die 16.
Auflage von KulturPur miterlebt haben.Zum anderen
hätten, so Wolfgang Suttner, die angebotenen Produktionen
durchweg sehr gut funktioniert. Sehr, sehr froh
ist Wolfgang Suttner darüber, dass im Vergleich
zu KulturPur 2005 dieses Mal 30 Prozent mehr junge
Leute zu Gast gewesen seien. Christina Stürmer,
zum Beispiel, zog das junge Publikum unheimlich
an. Und richtig gut angenommen worden seien auch
die Nachmittagsprogramme für die ganze Familie.
Da sei es fast gut gewesen, dass das Wetter ein
wenig kühl war: Es trieb die Leute zu den Programmen
im Zelt. Bereits ausblickend auf weitere Kultur-Pur-Jahre
verwies Wolfgang Suttner auf die im Herbst anstehende
Gründung eines KulturPur-Fördervereins. Schon jetzt
hätten sich 120 Interessierte rückgemeldet; darunter
auch zwei, die sich um Vorstandsposten beworben
hätten. Einer aus Essen, einer aus Biedenkopf. Was
auch zeige, dass KulturPur längst weit über den
Tellerrand von Siegerland und Wittgenstein hinausgewachsen
sei.
|
07.06.2006
|
 Top-Konzert
am ungeliebten Montag Bob Geldof beendet
KulturPur 2006 mit gelungenem Mix aus Rock und Folk
bö Grund. KulturPur 2006 ist Geschichte. „Saint
Bob“ beendet das Festival in „the Countryside of Germany“
mit einem packenden Konzert. Und das, obwohl er (wie
die meisten von uns) angeblich keine Montage mag. Ratzfatz
ist das Publikum auf den Beinen. Der für sein – alle
Ehren wertes – humanitäres Engagement von Königin Lisbeth
zum Ritter geschlagene Ire demonstriert eindrucksvoll,
dass er auch musikalisch richtig viel „Gutes“ tut. Eine
formidable Band neben sich, entpuppt sich Bob Geldof
als exzellenter Frontmann, dessen Charisma weit über
die ersten Reihen vor der Bühne hinausgeht. Er hat die
Rockstarposen – und die wirken bei ihm nicht aufgesetzt
– glaubhaft drauf. Die Gitarre auf dem Rücken windet
er sich um den Mikrofonständer und reckt die Linke in
die Luft: „I don’t mind at all!“ Klar, der Typ hat eine
Botschaft, und der „Great Song Of Indifference“ vom
90er Album „Vegetarians Of Love“ bildet nicht umsonst
die Klammer des 120-minütigen Musikpakets. Wer allerdings
erwartet hat, dass Ritter Bob den Giller als Kanzel
nutzt, der wird (angenehm) enttäuscht. Im Zentrum
steht die Musik. Und die passt punktgenau in die deutsche
„Countryside“. Nicht zuletzt wegen der folkigen Grüße
von der Grünen Insel an den genauso grünen Giller. Robert
Loveday streicht eine so heiße Fidel, dass man sich
mit geschlossenen Augen ab und an durchaus in einen
irischen Pub beamen kann. Oder in einen heißen Club
Downtown Los Angeles. Die Truppe schöpft aus allen Quellen.
Es rockt und bluest sogar ein wenig. Geldof bläst
eine heiße Mundharmonika, John Turnbull feuert kräftige
Gitarren- Licks ab. Eine kleine Prise Punk fehlt nicht,
wenn Boomtown-Rats-Nummern angestimmt werden. Obwohl,
die Rats waren zumindest musikalisch immer eher eine
solide Rockband als eine wüste Punktruppe. „When The
Night Comes“ von der Langspielplatte „The Fine Art Of
Surfacing“ aus grauer Vorzeit (1979) ist ein Beleg für
diese These. Natürlich fehlen die Hits nichts. In
„Banana Republic“ packt Geldof die klassische Reggae-Zeile
„Many Rivers To Cross“ ein. Es ist gut und wichtig (das
ist völlig unpathetisch gemeint), dass es Menschen wie
Bob Geldof gibt, die helfen, Brücken über die Flüsse
zu bauen. Bei „Mondays“ hält es dann endgültig nur noch
die vom KulturPur-Rummel total Erschöpften auf den Sitzen,
und „Rat Trap“ rockt, dass der Holzboden mitschwingt.
Klar steht Geldof vor rund 1500 Menschen beim Festival-
Abschluss im Mittelpunkt, aber die Combo auf der schick
ausgeleuchteten Bühne (Patrick Cusack, Bass, Alan Dunn,
Keyboards, Niall Power, Drums und Mark Hewins, ehemals
Softmachine) entpuppen sich als kompaktes Kraftwerk.
Übrigens, zumindest auf den Sitzplätzen in der Zeltmitte
war der Sound richtig gut. Auch das trug dazu bei, dass
die Nummer „Walking Back To Happiness“ sich als heimliches
Motto eines feinen Finales entpuppte. Foto-Text:
Bob Geldof ist ein exzellenter Frontmann, dessen
Charisma weit über die ersten Reihen vor der Bühne hinausreicht.
Foto: dima
Einsatz
pur – rund um die Uhr Die Giller-Helfer
und ihre Arbeit hinter den Kulissen kafu Grund.
Nach rund zwei Stunden ging das Licht auf der Bühne
wieder aus und im Saal an. Der Auftritt von Bob Geldof,
Ben Becker oder dem Ballett Kiel bei KulturPur war vorbei.
Ganz und gar nicht vorüber war in diesem Moment die
Arbeit der rund 120 Helfer – Künstlerbetreuer, Ordner,
Techniker, Organisationshelfer, DRK, Feuerwehr und Kassierer.
Sie alle sorgten mit dafür, dass auch vor und nach den
Shows, hinter der Bühne und auf dem Festival- Gelände
alles rund lief. Kurz sind die Festivalnächte oft für
die Künstlerbetreuer; Improvisationstalent und Flexibilität
sind gefragt, wenn die Stars auf dem Gelände sind. Ben
Becker reiste mit seiner Crew gegen 9 Uhr am Samstagmorgen
an. In diesem Augenblick hatten die Betreuer schon einige
Stunden Wartezeit hinter sich, denn die Ankunft des
Schauspielers und Kinski-Rezitators war zwar genau terminiert,
hatte sich aber verzögert. Beckers Garderobe hinter
der Zeltbühne war von den Betreuern hergerichtet, Getränke
und Essen standen – genau nach den Vorgaben des Managements
– bereit. Auch eine Dusche war für den Berliner reserviert;
eigentlich ein Waschraum der Helfer, die an diesem Tag
aber auswichen. Während das KulturPur-Team sich Backstage
um Becker und seine Crew kümmerte, waren auf der Bühne
schon die Techniker im Einsatz: beim Aufbau, Einleuchten
und dem Soundcheck. Garderobe aufräumen, den einen oder
anderen Sonderwunsch erfüllen und manchmal einfach abwarten:
Beckers Künstlerbetreuer waren immer in der Nähe. Inzwischen
standen die Fans schon Schlange vor dem Eingang des
Kleinen Zeltes. Bis zum letzten Moment arbeiteten Techniker
an Licht und Sound, bewegten sich manchmal in zwölf
Metern Höhe, um die Beleuchtung einzurichten. Dann konnten
sich die Besucher – vorbei an der Einlasskontrolle der
Ordner – ihre Plätze aussuchen. Die Ordner waren es
auch, die die Bestuhlung auf- und abbauten, bei größeren
Konzerten den Bereich vor der Bühne bewachten und sich
manchmal – ruhig, höflich und selbstbewusst – gegen
störrische Gäste durchsetzen mussten. Eindreiviertel
Stunde war „Zirkusdirektor“ Becker auf der Bühne. Und
als seine Zuschauer schon auf den Heimweg waren, kümmerten
sich die Betreuer um ein warmes Abendessen für den Künstler.
Andere Teams bauten inzwischen die Bühne wieder um,
räumten Equipment zusammen, bereiteten den nächsten
Auftritt vor. Becker reiste am Samstag mit seinem
eigenen Tour-Bus an, andere Künstler wurden, manchmal
mitten in der Nacht, in Frankfurt, Düsseldorf oder Köln
am Flughafen abgeholt und nach dem Auftritt wieder zu
ihrem Flieger gebracht. Die Musiker einer Band holte
das Kultur-Pur- Team zu drei verschiedenen Zeiten an
zwei unterschiedlichen Flughäfen ab. Aber nicht nur
Betreuer und Fahrer legten Nachtschichten ein: So erforderte
die aufwendige Show des Balletts Kiel ein solches Maß
an technischer Vorbereitung, dass in mehreren Schichten
gearbeitet werden musste. Ein anderes Problem hatten
derweil einige Künstlerbetreuer zu lösen: Ein Star hatte
sich spontan überlegt, in seiner Show einen Rollstuhl
einzusetzen. Hilfe kam vom Netphener Seniorenzentrum
– hier konnte sich das Giller-Team kurzfristig einen
Rollstuhl ausleihen. Allerdings: Gebraucht wurde er
während der Show dann doch nicht. Viele Künstler
wissen das Engagement der ganzen Kultur-Pur-Crew zu
schätzen und sagen im Gästebuch – mehrsprachig – Danke:
„Euer Team ist großartig“, schreibt Ballett Kiel, von
Peter Shub kommt der Eintrag „Love to all who make KulturPur
possible“, und „Muchos gracias“ sagt Carlos Núnez –
für Einsatz pur bei KulturPur. Zwei, die sich auskennen:
Auch Andrea Dilling und Tobias Habig halfen beim 16.
KulturPur-Festival mit.
|
|
|