KulturPur 2006

Internationales Musik- und Theaterfestival
auf dem Giller bei Hilchenbach-Lützel
Berichterstattung der Siegener Zeitung

www.siegener-zeitung.de
Alle Fotos auf dieser Seite: Siegener Zeitung / Dirk Manderbach
02.06.2006

KulturPur – die 16.!
Landrat Paul Breuer eröffnete gestern Abend das Festival auf der Ginsberger Heide mit launigen Worten und mit Pointen, die – natürlich – auch auf das Wetter zielten. „Der Regen ist schon wärmer geworden . ..“ Warm ums Herz wurde den Gästen beim offiziellen KulturPur-Start auch dank der Musik von M3 Organ (im Bild). Bis zu 50 000 Menschen werden auf dem Giller erwartet; das Gelände ist für den Ansturm der Kultur-Interessierten gerüstet. Dank engagierter Helferinnen und Helfer, dank des Teams um Kreiskulturreferent Wolfgang Suttner und Orga-Chef Georg Klein, dank der Sponsoren und der Unterstützung aus Land, Städten und Gemeinden. Breuer lobte den „Mannschaftsgeist“ und rühmte KulturPur als „sinnliches Totalerlebnis von Kultur und Natur“. Unmittelbar erfahrbar übrigens entlang des Rothaarsteigs: Der Weg der Sinne führt mitten durch das Festival der Sinne. Foto: Kalle

Mit Carlos Núñez und der Philharmonie Südwestfalen unter der Leitung von Chefdirigent Russell N. Harris ist das 16. KulturPur-Festival auf dem Giller eröffnet worden. Der galizische Dudelsack- Virtuose, der bereits vor anderthalb Jahren als Bühnen-Derwisch das „Irish Folk Festival“ in Kreuztal aufmischte, zog auch gestern Abend gemeinsam mit dem heimischen Orchester das begeisterte Publikum der Veranstaltung unter dem Motto „Sinfonic Folk Inspirations“ in seinen Bann. Auf Blockflöte und Gaita, dem spanischen Dudelsack, brillierte Núñez im mit 1500 Gästen ausverkauften Zelttheater auf der Ginsberger Heide bei Werken von Grieg und Strawinsky ebenso wie bei Eigenkompositionen, Songs der Chieftains und Folk-Traditionals (ausführlicher Bericht im Kulturteil der nächsten Ausgabe). Foto: Kalle

Echt gute Hexereien
Die Kleine Hexe war der erste Star auf der KulturPur-Bühne
awe Grund. Ein wenig kompliziert ist es für Kinder, an der Eröffnung von KulturPur teilzunehmen. Erstens reservieren sich die Großen fast alle Stühle, zweitens dauert so eine Eröffnung ganz schön lang, und junge Menschen brauchen Nachtruhe. Aber wem so etwas Großartiges wie KulturPur einfällt, der hat auch gute Ideen für Kinder. Die brauchten gestern, am ersten Tag des Pfingst-Festivals, nicht bis zum Abend zu warten, um sich den schönen Dingen widmen zu können, sondern durften – fast ganz unter sich – KulturPur am Morgen im Kleinen Zelttheater beginnen. Dort nahm man ganz gemütlich Platz unter riesigen bunten Lampions, wärmte sich auf nach dem Gang durch die kühle Frühlingsluft am Giller und konnte schon mal ausführlich das Bühnenbild für das kommende Theaterstück studieren. Wenn das mal nicht supergut hier mitten ins Rothaargebirge passte: Es handelte sich nämlich um ein äußerst adrettes Hexenhaus, das vom Theater auf Tour aus Frankfurt aufgebaut worden war. Und ziemlich bald lernte man auch die Bewohnerin kenne: Die kleine Hexe war hier zu Hause, zusammen mit ihrem Freund, dem Raben Abraxas. Wer meint, dass kühles Wetter oder nicht so gute Schulnoten Probleme sein könnten, der wurde jetzt sehr schnell eines besseren belehrt: Die kleine Hexe hat wirklich Probleme. Sie ist erst 127 Jahre alt und damit vielleicht auch zu jung für eine abendliche KulturPur-Eröffnung und auf jeden Fall viel zu jung für die Teilnahme am Hexentanz in der Walpurgis- Nacht. Die steht in der Geschichte gerade unmittelbar bevor, und die Kleine Hexe erhält die Chance, vor dem Großen Hexenrat die Hexenprüfung abzulegen. Mit diesem Examen in der Kittelschürzentasche darf jede Hexe nach Lust und Laune, Hauptsache recht wild, am Hexentanz teilnehmen. Tatsächlich freute sich die Kleine Hexe auf die Prüfung, denn ein Jahr lang hatte sie sich eifrig bemüht, eine gute Hexe zu sein und allerhand echt guten Hexenzauber zustande zu bringen. Zusammen mit Abraxas zählte sie ihre furchtbar guten Hexereien alle noch einmal auf und sammelte damit auf jeden Fall Punkte beim Publikum. Die erste Zuschauer-Schar bei KulturPur fand es ausgesprochen gut, dass die Kleine Hexe den armen Holz-Weibern gegen den etwas zu strengen Förster half und den Maroni-Mann vom Niesen heilte. Die jungen Menschen im Zelttheater hätten dem Blumen-Mädchen seine Papier- Blumen auch ohne den zusätzlichen Duft- Zauber der Kleinen Hexe abgekauft, hielten aber auch den für einen sehr gelungenen Zauber. Anders als der Hexenrat: Der verfügte, dank des Spitzel-Dienstes der Muhme Rumpumpel über genaue Informationen. Jede der Hexereien hatte die Muhme Rumpumpel fotografiert – alles Beweise gegen die Kleine Hexe. Was die alten Hexen unter guter Hexerei verstehen, unterscheidet sich nämlich erheblich vom Publikums-Geschmack: Je boshafter ein Zauber wirkt, um so besser finden sie ihn. Hatte sich die Kleine Hexe ihren Hexentanz- Besen nun ganz umsonst für 7,50 im Krämer-Laden angeschafft? Wer die Antwort in der Aufführung im Kleinen Zelttheater verpasste, dem bleibt nichts anderes übrig, als im Kleinen-Hexen- Buch von Otfried Preußler nachzulesen. Oder nach einer Aufführung des Theaters auf Tour Ausschau zu halten: Die spielen überhaupt prima Theater, so gut, dass die Zuschauer des allerersten KulturPur-Ereignisses mit Fug und Recht behaupten können, sie waren beim Hexentanz.

03.06.2006

König der Eidechsen auf dem Giller
Ballett Kiel tanzte Jim-Morrison-Biografie / Die Seele des Schamanen
bö Grund. „Stopp!“ Die Stimme aus dem Off kennt keine Gnade. „Zurück in die Ausgangspositionen!“ Tanz auf diesem Niveau ist Kunst und – ganz viel Training. Stundenlang proben sie vor der Aufführung im KulturPur-Theaterzelt. Gestern Abend liegen die Mühen des Tages hinter den Tänzerinnen und Tänzern des Balletts Kiel. Die Eidechse hat sich gehäutet, trägt im Licht der Scheinwerfer ihr Festtagskleid. Zwei Vorhänge, schwarz und blutrot, öffnen sich. Zwischen den bekannten und den unbekannten Dingen sind Türen, „Doors“ eben.
Und die Doors sind Ende der 60er und Anfang der 70er die Speerspitze der amerikanischen Rockmusik. Und Jim Morrison ist ihr Sänger. Ein Poet, ein Junkie, ein Sexsymbol, ein Trinker. Und ein begnadeter Schauspieler, der sich in eine hautenge schwarze Lederhose zwängt und sich selbst als Rockstar inszeniert. So gut gelingt ihm das, dass er seinem Alterego nicht mehr entkommen kann. Endgültig zur Legende macht ihn sein früher Tod 1971 in der Badewanne eines Pariser Hotelzimmers. Nach Brian Jones, Janis Joplin und Jimi Hendrix ist er der letzte der vier großen Stars, die zwischen 1969 und 1971 im Alter von nur 27 Jahren sterben. Wenn er seinen Abgang nicht auch selbst inszeniert hat. Es gibt immer noch Menschen, die glauben, dass das Grab im Pariser Friedhof Père Lachaise leer ist. Man muss halt durch die Türen gehen, um das Unbekannte zu entdecken.
Es gibt unzählige Bücher über Morrison, die das Leben dieses Jungen aus gutem Hause erklären wollen, der glaubte, dass in seiner Kindheit ein indianischer Schamane in seine Seele einzog. Nun versucht das Ballett von Mario Schröder – natürlich mit der Musik der Doors – dem Phänomen Morrison auf die Spur zu kommen. Ein tauglicher Versuch, denn der Tanz ist bekanntlich eines der stärksten Mittel des Schamanen. Und wie die Geisterheiler gehen Tänzerinnen und Tänzer bis an ihre physischen Grenzen. Das ist Bewegung pur, die mit immer wieder neuen Abfolgen von Sprüngen, Pirouetten und Rollen auf der Bühne des sehr gut besuchten Theaterzelts die Rockmusik visualisiert: schneller leben!
Im Mittelpunkt stehen Stojan Kissow und Oliver Preiß in der Morrison-Rolle. Logisch, dass für den „König der Eidechsen“, so der Titel des Balletts nach dem Gedicht/Song „The Celebration Of The Lizard King“, ein Darsteller nicht genügt. Sie visualisieren rasant und aufgedreht, kontrapunktiert durch ruhige Momente, das Leben Morrisons am Rande des Abgrundes. Ergründen können sie den Mythos nicht, denn dann müssten sie vielleicht bis zum Mond schwimmen. Neben „Moonlight Drive“ erklingen zahlreiche weitere Doors-Klassiker. „Riders On The Storm“ entpuppt sich als eine Art Themenmusik für Morrisons Leben, „Five To One“ trifft immer noch mitten ins Schwarze und „Crawling King Snake“ zeigt, wie sexy der Blues sein kann. Und der Tanz natürlich.
Eigentlich könnte sich das Auge an den immer wieder packende Bilder auf die Bühne zaubernden Tänzerinnen und Tänzern satt sehen, aber es bekommt die volle Dröhnung. Videoeinspielungen machen zusätzlich deutlich, dass es um mehr geht, als um eine Rockstar-Bio in Motion. Gesellschaftskritik ist angesagt, und so schließt sich der Kreis zwischen 2006 und 1968. Klar kommt auch der Dichter Morrison zu Wort. Aber mal ganz ehrlich, als Sänger war er besser. Bis zum bitteren „The End“.
Foto-Text: Mit ganz viel begeistertem Beifall belohnte das Publikum die Leistungen des Balletts Kiel, das gestern Abend nach 2003 („The Wall“ nach Pink Floyd) zum zweiten Mal auf dem Giller zu erleben war – mit vielen atemberaubenden, atmosphärisch gelungenen Bildern, die emotional verdichtet Lebensstationen von Morrison skizzierten. Foto: dima

 Der Zirkusdirektor kommt
Die SZ sprach mit Ben Becker über sein Kinski-Programm
sz Siegen. Mit einem Pferd auf die Bühne. Eine nackte Geigerin am Einlass. Lesungen mit Ben Becker sind jedes Mal ein bisschen anders. Irgendeinen Gimmick wird er sich auch für heute einfallen lassen. Um 20 Uhr beginnt sein Klaus-Kinski- Programm „Fieber“ im Zelttheater bei KulturPur auf dem Giller. „Zirkusdirektor“ Becker versprach gestern am Telefon ein „Gesamtkunstwerk“ mit Bühnenbild, Wort und Musik – oder besser Tönen, Geräuschen. Die helfen, den Text zu unterstreichen und Bilder im Kopf der Zuhörer zu erzeugen. „Es ist eine Klangkulisse und nicht so, dass ich aufstehe und noch’n Lied singe.“ Kinski und Becker – sind das Brüder im Geiste? Bloß nicht! Da windet sich Becker, an dem das Label „enfant terrible“ haftet – von einer großen deutschen Zeitung aufgepappt. Seelenverwandt sei er nicht mit Kinski, aber „man kann versuchen, ihm nahe zu kommen“. Schon als Kind fand der 1964 geborene Schauspieler Klaus Kinski interessant, in den Edgar-Wallace-Filmen damals. Heute kennt Becker all seine Filme, die Talkshowauftritte, ist mit Kinskis Sohn befreundet und seit drei, vier Jahren mit einem Literaturprogramm unterwegs, in dem er Gedichte des frühen Kinski präsentiert. Die in einem Koffer auf einem Dachboden in Paris gefunden wurden – so was gibt es wirklich! Jemand ist im Internet auf die Texte gestoßen, hat sie gekauft und hat Ben Becker drauf gebracht, da was draus zu machen. Die Gedichte seien echt, da ist er sich sicher.
Es war im Jahr 1952, Klaus Kinski war 25 Jahre alt, er war schlimm verliebt in ein todkrankes Mädchen in Paris: Da und dann sind seine Texte entstanden. Es geht um „Sehnsucht, Traurigkeit, Geborgenheit, Melancholie, den Schrei nach Liebe, alles zusammen“, versucht Becker die Themen zu beschreiben. „Ich unternehme den Versuch, das zu transportieren.“ Er hat sich in all den Jahren der „spannenden Persönlichkeit“ Kinski angenähert: „Am Anfang saß ich vor seinen Texten wie das Kaninchen vor der Schlange.“ Es kann hart werden. Und zart. „Ich weiß mit meiner Kraft hauszuhalten“, sagt der Schauspieler, der mit seiner „Berlin-Alexanderplatz“- Lesung bereits in Siegen war. Sein Publikum, und das sei sehr angenehm, gehe durch die Generationen hinweg: „Von Mitte 20 bis Mitte 90.“ Für alle, die sich vor einem Satz rote Ohren fürchten, hat Becker noch die Information, dass sein Programm „nicht in eine Publikumsbeschimpfung ausarten“ wird. Wenn es um Sehnsucht, Liebe, Traurigkeit und Geborgenheit geht, geht es vielleicht auch um Gott? „Absolut“, meint Becker, „aber nicht zu verstehen im Sinne der Lehre der Kirche.“ Aus irgendeinem Grund ist das im Moment ein großes Thema in Ben Beckers künstlerischem Schaffen. Seit sechs Wochen arbeitet er an einem Gesamtkunstwerk zur Bibel. „Dazu habe ich seit zweieinhalb Jahren Bilder im Kopf“, sagt er. In drei Monaten möchte der „Zirkusdirektor“ (hier fällt das Wort noch einmal), an dessen Literatur-Musik-Programmen mittlerweile rund 25 Menschen beteiligt sind, die Wirkung bei einer öffentlichen Probe überprüfen. Religiöse Themen liegen bei dem keinesfalls religiös erzogenen Becker derzeit irgendwie in der Luft: „Ein ganz gewöhnlicher Jude“ hat er fürs Kino gedreht, und fürs ZDF spielt er in der Reihe „Deutsche Giganten“ Martin Luther.
Jetzt aber erst mal das Kinski-Programm bei KulturPur. Wen das „Fieber“ infiziert hat (und wer wissen will, was diesmal der besondere Gimmick an Beckers Lesung ist), der erhält für die heutige Vorstellung ab 10 Uhr morgens Karten an der Festivalkasse auf dem Giller. Regine Wenzel

Draußen kalt – innen heiß, heiß, heiß!
Galizischer Dudelsack- und Flöten-Virtuose Carlos Núñez bescherte KulturPur Traum-Start
aww Grund. Vor dem Konzert: nass und kalt. Nach dem Konzert: nass und kalt. Dazwischen: trocken und heiß, heiß, heiß! Carlos Núñez hat dem 16. Kultur- Pur-Festival am Donnerstagabend einen Traum-Auftakt beschert. Obwohl es dem Galizier zufolge in dessen nordspanischer Heimat wettermäßig nicht viel anders aussieht als im Siegerland, denn: „It rains all the time“, schaffte es der sympathische Flöten- und Dudelsack-Virtuose im mit 1500 Besuchern voll besetzten großen Zelttheater mühelos, die empfindlichen Außentemperaturen auf der Ginsberger Heide komplett vergessen zu machen. Mit Verve und Esprit feuerten Núñez und seine beiden Mitstreiter Pancho Álvarez (Bouzouki) und Xurxo Núñez (Bodhrán, Trommel, Tambourin) gemeinsam mit der Philharmonie Südwestfalen pausenlos einen Kracher nach dem anderen ab, so richtig schön in Kettenreaktion-Manier. Das war wie eine einmal entzündete und nicht mehr zu stoppende Kette Ladykracher. Paff, piff, paff . . .
Mit Halligalli hatten die „Sinfonic Folk Inspirations“, die im Rahmen des WDRMusikfestes für den Hörfunk aufgezeichnet wurden, allerdings überhaupt nichts zu tun. Natürlich ging oft mächtig die Post ab, etwa wenn Carlos Núñez und Co. mit flotten irischen Tunes eine Lehrstunde in virtuoser Instrumentenbeherrschung gaben oder wenn die Philharmonie Südwestfalen mit dem „Danse infernal“ und dem „Finale“ aus Strawinskys „Feuervogel“ so richtig zeigte, was sie drauf hat. Aber es durfte manches Mal auch schön langsam und melancholisch werden.
Núñez’ eigentliches Kapital sind nämlich nicht effekthaschende gymnastische Fingerübungen im Hochgeschwindigkeitsformat. Das ist zwar beeindruckend und gehört dazu, ist aber für ihn ganz offensichtlich „bottom line“ – er kann es einfach. Was bei dem musikalischen Grenzgänger mit dem nahezu unerschöpflichen Fundus an Instrumenten zwischen Gaita (galizischer Dudelsack), Block- und anderen Flöten und Schalmei hinzukommt, ist sein unglaublicher Ton, die tiefe Emotion, die er in jedes Glissando, in jedes Vibrato hineinlegt. Und das spürbare Die-Musik- Leben und In-ihr-Aufgehen. Das sieht man ihm an, wenn er sich fast in Zeitlupe über die Bühne bewegt, als wolle er es unbedingt vermeiden, die Musik durch seine Bewegung irgendwie zu stören, wenn er mit geschlossenen Augen sich im Spiel windet, wenn er mit spanischem Temperament lautstark das Publikum anheizt. Das alles ohne jegliches Gehabe, ohne jede Pose, sondern ganz authentisch, echt. Der Mann kann einfach nicht anders. Man sieht es aber nicht nur, man – und das ist wichtig! – hört es auch.
Wunderschön gerieten die Passagen, wenn Orchester und Spanier gemeinsam musizierten: Jubel etwa nach der anrührenden Interpretation des langsamen Satzes aus Rodrigos „Concierto de Aranjuez“, dessen Gitarrenpart Núñez trefflich auf die Gaita transferierte. Mit der „Galician Ouverture“ von Paddy Moloney schafften es die Akteure zum Finale des offiziellen Programms, ihre Zuhörer in einen wahren Klangrausch zu versetzen. Komplettiert wurde das Ganze mit solistischen Darbietungen von Carlos Núñez und seinen Musikerkollegen und von reinen Orchesterstücken: Hier zeigte die Philharmonie ein glückliches Händchen bei der Auswahl von eingängigen, mitreißenden Kompositionen wie etwa aus Griegs „Peer-Gynt“-Suite (klasse: „In der Halle des Bergkönigs“). Dass sich Orchestermusiker nicht zwangsweise nur im klassischen Bereich auskennen, bewiesen im Zusammenspiel mit Núñez die Harfenistin Lucian Brady und Birgit Heydel, die sich als talentierte Fiedlerin entpuppte.
Bei allem Schönen dürfen aber auch die kleinen Wermutstropfen nicht unerwähnt bleiben: Beim mikrofonierten Orchester waren die Holzbläser zu leise eingestellt, bei der Tonabnahme der Harfe war irgendwie der Wurm drin, und die Gesamtlautstärke bewegte sich zumindest im vorderen Zeltbereich an der oberen Grenze. Ansonsten: eine Weltklasse- Veranstaltung, bei der es angesichts des begeistert jubelnden Publikums natürlich nicht bei einer Zugabe bleiben durfte.

Foto-Text: Ein Virtuose, wie er im Buche steht: Carlos Núñez wurde bei der Auftaktveranstaltung zum 16. KulturPur-Festival frenetisch vom Publikum gefeiert. Foto: Kalle

06.06.2006
Christina „stürmte“ feiernden Giller
Konzert der Österreicherin begeisterte das Publikum im ausverkauften Zelttheater
maha Grund. „Warum sollte ich mich verstellen und von Lügen umgeben, wenn ich doch ganz sicher weiß, was ich will vom Leben?“ Christina Stürmer ist jung und hübsch. Und selbstbewusst. Aber die 22-jährige Sängerin aus Österreich hat noch einiges mehr zu bieten – und dies ist seit einiger Zeit auch in Deutschland kein wirkliches Geheimnis mehr. „Zum Glück“, wie ihre stetig wachsenden deutschen Fanscharen freudestrahlend zu bemerken wissen. Während Christina Stürmer und Band in ihrer Heimat seit dem mehr als 100 000-mal verkauften Debütalbum „Freier Fall“ auf einer absoluten Erfolgswelle schwimmen und als die größten „Popstars seit Falco“ gefeiert werden, ist die Eroberung des deutschen Marktes derzeit noch im Rahmen ihrer „Schwarz- Weiß-Tour“ im vollen Gange. Ein Erfolg versprechender Weg, wie sich am Sonntagabend im ausverkauften KulturPur- Zelttheater zeigte: Denn auch im Siegerland kann Christina Stürmer bereits auf eine große Fangemeinde verweisen. Tendenz wachsend.
Doch immer eins nach dem anderen: Nachdem die Siegerländer Jungs von „Les Mercredis“ als Vorband des Abends das Publikum mit ihrem bisweilen eingängigen Elektropop der Marke „Synthesizer meets Gitarre“ in ausgelassene Konzertstimmung gebracht hatten, betraten um kurz vor halb neun zur großen Freude der Zuschauer die österreichischen Erfolgsexporte die zunächst äußerst sparsam illuminierte Bühne. Und wer glaubte, das Konzert würde so langsam ins sprichwörtliche Rollen kommen, der musste sich schnell eines Besseren belehren lassen: Kaum waren die ersten Akkorde des Openers „Glücklich“ erklungen, schien es, als liege der Giller mitten in Österreich.
Sichtlich erfreut über die Begeisterung ihrer Zuhörerschaft, „stürmte“ Christina Stürmer souverän mitsamt ihrer Band zu einem fulminanten Gastspiel auf dem Giller. Mit viel Gefühl und Power in der Stimme, eingängigen Texten in deutscher Sprache und einer mittlerweile sehr farbenfroh in Szene gesetzten Bühne wandelte sich die Stimmung schnell zu einer Euphoriewelle, bei der nicht nur auf der Bühne ausgiebig getanzt und geschunkelt wurde. Dies mussten auch die Besucher auf den Sitzplätzen erkennen und einsehen, dass sie sitzend keinen Blick mehr auf die Bühne genießen würden.
So präsentierten Stürmer und Co. zwischen Pop, Ska und Rock eine illustre Auswahl aus ihren drei Longplayern – insgesamt 20 Lieder, gespickt voller Emotion und Visionen – immer getragen von Ehrlichkeit und Authentizität. Hier, da war sich das Publikum sicher, ist jemand auf der Bühne, der 100-prozentig hinter dem steht, was er macht. Und auch ihre Bandmitglieder stellten während ihrer eindrucksvollen Soli unter Beweis, dass sie ihr Handwerk nicht während einer Casting- Show erlernt haben. Am Ende feierten Christina Stürmer und ihr Publikum eine Deutsch-Rock-Party, bei der eines „schwarz auf Weiss“ festzuhalten bleibt: Von dieser Christina Stürmer werden auch die Deutschen so schnell „Nie genug“ bekommen.
Foto-Text: Christina Stürmer feierte auf dem Giller mit ihrem begeisterten Publikum einen gelungenen Konzertabend. Foto: maha

Ein bisschen mehr Action
„Yeeehaw“: Mörder-Country-Show von The BossHoss
zel Grund. Das Kleidungsstück der Wahl ist ein weißes Feinrippunterhemd. Tätowierungen werden gern genommen. Hut auf, Stiefel an. Jeans, fette Gürtelschnalle. So sehen Großstadtcowboys aus. Die Jungs auf der Bühne sind nicht das dreckige Dutzend, sondern die glorreichen Sieben. Es sind The BossHoss aus Berlin. Und sie sind gekommen, um das kleine Theaterzelt am Freitagabend bei KulturPur auf dem Giller zu rocken. Rappelvoll ist es zur LateNight-Show, Cowboys und -girls auch im Publikum, die imaginäre Lassos schwingen. Den vielen hundert Kehlen entfährt immer wieder ein quietschendes „Yeeehaw“.
Zum Jauchzen gibt es allen Grund. Boss und Hoss, Russ und Guss, Frank und Hank sowie Ernesto liefern eine Mörder- Show. Gerade ist ihr zweites Album „Rodeo Radio“ erschienen, das gleich auf Platz 6 in den deutschen Charts eingestiegen ist. Der Bedarf ist offenbar da: siehe Texas Lightning, die mit Country made in Germany beim Eurovision Song Contest in Athen an den Start gingen. Aber The BossHoss sind natürlich viel cooler, schlaksige Lucky-Luke-Typen, und siebenmal Sex auf Beinen. Finden die Mädels. Für die erste Single aus ihrem neuen Album haben sich The Bosshoss Aretha Franklins „I Say A Little Prayer“ vorgeknöpft und daraus eine hübsches Stückchen Countrymusik gemacht. Das Video dazu läuft zu Beginn, aber live geht‘s später natürlich noch besser rein. Die Band schreckt echt vor nichts zurück, und das ist gut so: Elvis’ „A Little Less Conversation, A Little More Action“, Outcasts „Hey Ya“, das funkige „Upside down“, De La Souls „Ring Ring“, „My Favourite Game“ von den Cardigans und sogar „Ca Plane Pour Moi“ sind nicht vor ihnen sicher und eigentlich echte Countrynummern, wenn man’s nicht besser wüsste, zu spielen mit Kontrabass, Waschbrett und Harmonika und Gitarren und zu singen mit tiefer, sehnsüchtiger Stimme.
Dazwischen mischen sich genauso gut eigene Stücke. Immer härter, immer schneller, trashiger, punkiger geht es zur Sache. Es ist „Hot In Here“, der Saloon kocht! They’re „Unbelievable“! Die Frontmänner Boss und Hoss quatschen in breitem Amerikanisch mit dem Publikum, lassen die Girls und Boys getrennt mitsingen. Später dürfen einige auf die Bühne, tanzen mit, spielen mit, werden vom Publikum auf Händen durchs Zelt getragen – unvergesslich. „Wir sehen uns an der Bar“, heißt es zum Ende, und so ist es. Fotos machen, Autogramme holen, geht alles mit den Jungs von BossHoss. Und übern Giller schallen noch einige „Yeeehaws“, als die abgekämpften, aber glücklichen Cowgirls und -boys nach Hause reiten. Guter Abend, heiße Show – „thankx“!
Foto-Text: Die Großstadtcowboys von The BossHoss waren auf den Giller gekommen, um in einer heißen LateNight-Show das kleine Theaterzelt countrymäßig zu rocken. Foto: dima

Im Zelt regierte der Viervierteltakt
Power!Percussion powerte – das Publikum auch / Rhythmisches für Auge und Ohr
aww Grund. Die Masse macht’s eben doch manchmal. Die fünf Drummer des Münchner Ensembles Power!Percussion, eigentlich 18-Uhr-„Vorabend“-Act auf dem Giller, hatten schon im Vorverkauf so viele Tickets abgesetzt, dass die Show vom kleinen ins große Zelttheater umziehen durfte. Das riesige Publikumsinteresse katapultierte die Rhythmus- Freaks unversehens in exorbitante TopAct-Sphären. (Der eigentliche TopAct des KulturPur-Samstags, Ben Becker, musste dagegen seine Kinski-Gedichte untern Arm klemmen und nach nebenan wandern; was wiederum seiner Show gut tat, denn die weitaus geringere Zuschauermenge, die noch nicht einmal das kleine Zelt füllte, hätte sich im großen schlicht verloren – aber das ist ein anderer Artikel . . .)
Folglich regierte am frühen Abend auf der Ginsberger Heide der Viervierteltakt. Und er regierte laut, denn die fünf Jungs haben offenbar nicht nur Rhythmus im Blut, sondern auch jede Menge Schmalz in den Muckis. Und wo viel „Power“ ist, da werden Trommelfelle nicht eben zart gestreichelt – weder die, die von Schlegeln und Drumsticks verbimst werden, noch die menschlichen. Bizeps allein nützt da allerdings nichts, weswegen man immer noch auf eine satte PA angewiesen ist. Doch selbst die war zum Schluss überfordert, und zwei der Kesselpauken brachten die gigantischen Lautsprecherboxen mächtig zum Zerren. Ums kurz zu machen: Ein Set Ohropax wäre nicht das Verkehrteste gewesen an diesem Abend – zumindest nicht, wenn man in einer der vorderen Reihen saß.
Nach der sphärischen Eingangs-Improvisation mit Rainmaker, Ocean Drum, Cajon und anderen Percussion-Instrumenten ging das Drum-Feuerwerk auf zwei mächtigen großen Trommeln und vier Kesselpauken los. Nicht nur hörens-, sondern auch sehr sehenswert war die anschließende choreographierte Rhythmus- Performance auf vier Haushalts-Leitern: „Steps“ – schon ganz früh ein echtes Highlight. Auch ein Hingucker: das Bäumchen- wechsel-dich-Spiel „Buckets“, bei dem vier Plastikmülleimer nicht nur in rhythmische Harmonie gebracht wurden, sondern auch noch im Tiefflug die Spieler wechselten. Trommeln, Snares und Bongos wurden ebenso „abgeklopft“ wie fachfremde Gegenstände – Ölfässer oder amerikanische Mülltonnen zum Beispiel. Zwischendurch wurde es dann auch mal leiser. Faszinierend die Body-Percussion- Nummer „Clap Trap“, zum Träumen ein wunderschönes Marimbaphon-Solo und der anschließende, außereuropäisch anmutende Chill-Part, der mit seinen sieben Vierteln einen angenehmen Kontrast zum ansonsten dominanten Vierertakt bildete. Power!Percussion wurde seinem Namen gerecht. Aber nicht nur die fünf Herren auf der Bühne powerten. Das Publikum war aus dem Häuschen und tat es ihnen nach – beim Applaudieren!
Foto-Text: Bei der Show von Power!Percussion ging die Post ab, und das Publikum ging mit. Foto: dima

Ben Becker lebte Klaus Kinski
Große Lese- und Darsteller-Kunst: „Fieber“ im kleinen Zelttheater
aww Grund. Am Ende gab es stehenden Applaus für eine monumentale Performance: Ben Becker sprach, faselte, schrie, jammerte, ätzte, geiferte Klaus Kinski. Mit einer Stimme, einem Timbre, einer Expressivität und einer Gestaltungskraft, die nur wenige, ganz große Künstler, ihr Eigen nennen dürfen. „Fieber“ war mehr als Lesung, es war die Personifizierung des jungen Kinski, dessen Gedichte („Tagebuch eines Aussätzigen“), vor einem halben Jahrhundert geschrieben und erst lange nach seinem Tod 1991 entdeckt, Becker mehr lebte, denn darstellte und vortrug. Große Kunst traf hier auf ein Festival mit Event-Charakter, und siehe da: Es funktionierte, wenn auch selbst nach dem Umzug ins kleine Zelt (vgl. den Artikel zu Power!Percussion) viele Plätze leer blieben. Der großen Kunst Ben Beckers hat der begeisterte Beifall – auch szenenweise – zweifelsohne gegolten. Inwieweit er dem zweifach in Überlebensgröße über der Bühne prangenden Kinski galt, kann hier nicht geklärt werden. Es dürfen zumindest Zweifel aufkommen angesichts der Tatsache, dass die anderthalb Stunden trotz Beckers fulminanter Leistung nur schwer zu ertragen waren. Dieser Umstand indes war einzig der literarischen Vorlage zuzuschreiben, deren Destruktivität, explizite Wortwahl und teils schlichte Verworrenheit nur robusten Gemütern zur geistigen „Erbauung“ anzudienen ist. Verschiedentlich gaben sich Zuhörer auch schon vorher geschlagen und verließen das Zelt (was Becker zu Kommentaren wie „dann geh doch nach Hause“ oder „es geht auch ohne die“ hinriss).
Kinskis verstörende Gedichte sind Seelenschau, sind Psychographie ihres Verfassers zur Zeit der Niederschrift. Und wer Kinski auch nur andeutungsweise, schemenhaft kennt, wusste, dass mit romantischer Lyrik, die das Abendrot besingt, kaum zu rechnen war. In den besten Momenten offenbaren die Zeilen etwas von der Zerrissenheit der Kinski’schen Persönlichkeit, einer Persönlichkeit, die ihrer selbst überdrüssig ist („Meine Haut brennt mir wie Feuer“), die Anklage führt gegen Gott, gegen die Welt, gegen die Gesellschaft. „Warum habt ihr den alten Hund gepeitscht?“ – Fragen wie jene zeigen einen Mann, der die Bosheit der Menschen nicht begreifen kann. In vielen anderen Momenten entwickelt ein offensichtlich über die Maßen phantasiebegabter Kinski nicht mehr nachvollziehbare Szenarien und Bilder bis hin zum völlig Absurden. Manches nutzt sich auch einfach ab: Kinski hatte augenscheinlich Lieblingswörter (Hure, Blut, Fieber, Eiter etc.), die – mehrfach in kürzester Zeit gehört – allen Reiz verlieren.
„Musikalisch“-geräuschhaft untermalt und umrahmt wurde die szenische Lesung von der Zero Tolerance Band, die dem Ganzen eine zusätzliche Klangfarbe gab. Nett, aber kaum notwendig. Becker hätte auch alleine bestanden.
Foto-Text: Ein großer Darsteller und Sprecher: Ben Becker gab als Samstags-TopAct bei KulturPur Gedichte des jungen Klaus Kinski zum Besten. Foto: dima

Jeder Verrückte ist anders
Ein bisschen Karneval zu später Stunde: Sommerstunk 2006
zel Grund. Weiter entfernt von der Karnevalszeit kann man eigentlich nicht sein als zu Pfingsten. Egal. Jeder Verrückte ist anders – warum also keine Stunksitzung im Sommer? Man muss es ja nicht Karneval nennen, sondern Kabarett, dann funktioniert’s. Mit dem Besten aus 22 Jahren Stunksitzung waren am Samstagabend ehemalige und aktuelle Ensemblemitglieder aus Köln auf den Giller gereist, um zu später Stunde ein gut gelauntes Völkchen im großen Zelttheater zu unterhalten. Das kleine Zelt wäre atmosphärisch dafür besser geeignet gewesen, aber da war vor einer Stunde erst die Lesung mit Ben Becker zu Ende gegangen.
Ex-Sitzungspräsident Reiner Rübhausen moderierte und kommentierte die Nummern aus den 80ern, 90ern und dem neuen Jahrtausend. Da kamen so manche Themen wieder auf, die mittlerweile echt „durch“ sind: etwa die „Ausziehung der Lottozahlen“ auf RTL (1991), die sechs gut gebaute „Stunker“ in leichter Bekleidung à la „Tutti Frutti“ auf die Bühne brachten. Oder die Grünen Ende der 80er: Wolfgang Nitschke als zu kurz gekommener, Galle spuckender Realo gegen die Fundis. Oder Udo Lindenberg und Tina, die ein Friedensliedchen zwitschern: „Wozu sind Kriege da?“ Tja. Die Stunksitzung auf dem Giller ging natürlich nicht ohne Karnevalsthemen ab. Köstlich die hochdeutsche Übersetzung kölscher Lieder („Ich bin ein Trickdieb“) von Bruno Schmitz und Doro Engelhaaff wie auch die kölsche Version von „Dinner For One“, in dem ein alterndes Mariechen den armen Köbes Manes schafft: „Dasselbe Prozedere wie jedes Jahr.“ Der Stolper-Tiger war in diesem Fall ein gefallener Lumpenclown. Nette Idee. Einen Riesenaufmarsch mit allen zwölf Mitwirkenden gab es beim traurigen Einzug des untoten Dreigestirns mit Gefolge aus dem Jahr 1991. Die Armen waren wegen des Golfkriegs um die Session ihres Lebens gebracht worden und schworen Rache.
Berühmt-berüchtigt ist die Stunksitzung für politische Themen: Beim „Krätzche“, gesungen von drei Ford-Zwangsarbeitern, gefror einem das Lächeln. Da funktionierten die leisen Töne, ja, sie taten sogar gut. Ansonsten waren die „Stunker“ eher lauter und frisch voran, etwa bei der vehementen Aufforderung der gespielten Senioren an den Saal, hier und jetzt für Nachwuchs zu sorgen. Ging so.
Was richtig gut ging, war die Musik. Kein Köbes Underground, sondern die einst „verliebten Jungs“ Purple Schulz (Keyboard) und Josef Piek (Gitarre) sorgten für den guten Sound, hier und da unterstützt von mehreren Mitstreitern. Klasse Adaptionen von „Aischa“ („Mariesche“), „Addicted To Love“ („Zu dick für Alaf“) oder „In The Ghetto“ („Troisdorf- Sieglar“) brachten gute Laune. Alles in allem war Sommerstunk 2006 auf dem Giller eine Wundertüte mit vorwiegend heiterem Inhalt, allerdings voll gestopft bis hinten gegen: Nach fast anderthalb Stunden war erst Pause. So gegen 1 Uhr machten sich Ermüdungserscheinungen breit. Es war halt doch nicht Karneval – da hält man besser und länger durch.
Foto-Text: Wenn man ihn Kabarett nennt, dann funktioniert Karneval auch im Juni: Herzlich willkommen zur Stunksitzung bei KulturPur! Foto: dima

Glam-Rock-Revival auf dem Giller:
Mit einem virtuosen Live-Konzert haben die englischen Rocklegenden von The Sweet am späten Sonntagabend den vierten KulturPur-Tag mit treibenden Gitarrenriffs und unvergesslichen Evergreens fulminant ausklingen lassen. Dabei knüpfte die Formation um Bandmitbegründer Andy Scott (kleines Bild) vom ersten Takt an mit ihrer Bühnenshow an die glamourösen Banderfolge der 1970er und 1980er Jahre an. Kein Wunder, dass das begeisterte Publikum bei unvergesslichen Rock- Hymnen wie „Ballroom Blitz“, „Fox On The Run“, „Love Is Like Oxygen“, „Blockbuster“, „Action“ oder „Wig-Wam-Bam“ das kleine Zelttheater nonstop erbeben ließen und bis tief in die Nacht die guten alten Zeiten der „Glam-Rock“-Ära wieder aufleben ließen. Diese vier Jungs gehören definitiv noch lange nicht zum Eisen und machen auch in ihrem inzwischen 40. Bandjahr noch vielen dubiosen Möchtegern- Nachwuchs-Rockern jederzeit etwas vor. Am Ende feierten Fans wie Musiker ein ausgelassenes Rock-Revival, dass sicherlich so schnell nicht vergessen wird - da konnte auch die leichte Erkältung von Ausnahme Gitarrist Andy Scott nichts ändern. Fotos: maha

Ganz, ganz viel gegeben
A-cappella-Gruppe 6-Zylinder gestaltete eine unterhaltsam-musikalische Matinee
ciu Grund. Es regnet. Durchweg. Aber nein, nicht was Sie denken! Es regnet Rosen. In Rot und in Gelb und aus Plastik. Erst fliegen die edlen Blumen in die Ränge, dann segeln sie zurück, damit die Sänger – sechs Herren, wie aus dem Ei gepellt – darin baden können. Und so ist das Spiel mit den Rosen ein Bild für ein Konzept, das aufgeht: Die Matinee der 6-Zylinder war ein stetes Geben und Nehmen. Von Lachen und Seufzen, Singen und Summen, Klamauk und ganz viel Seele. Da war schnell vergessen, dass die angekündigten 101 Tenöre aus den Chören der Region (siehe eigenen Bericht) nicht mit auf der Bühne standen – Tilo Beckmann, Wenne Voget, Nicolas Leibel, Jos Gerritschen, Thomas Michaelis und Henrik Leidreiter sind seit Jahren Manns genug, mit einem knapp zweistündigen Programm weit über 1000 Menschen (noch vor dem Mittagessen!) glücklich zu machen.
„Wir bleiben, wie wir sind“, sangen 6- Zylinder über sich. Und blicken bei ihrem Gegenüber über alles Vordergründige hinweg: „Bei mir bist du schön!“. Ganz sicher, ob all das wahr ist, was dort völlig ohne instrumentale Begleitung (lassen wir die Triangel einmal außen vor) gesungen wird, kann das Publikum selten sein. Immer gehört ein satter Schuss feiner Ironie, ein gutes Stück Bissigkeit in das musikalische Menü der Sänger, die bei aller stimmlicher Finesse auch richtig gute Performer sind. So rastet Bass Henrik Leidreiter bei „Auf Wiederseh’n in Garmisch- Partenkirchen“ auf seinem Klappstuhl total aus, und der Jodler dazu hat sich ordentlich gewaschen. Ähnlich grotesk: die Bauernpolka „Kleines Edelweiß“, mit der sich Countertenor Tilo Beckmann als ach so verklemmter Bursche gibt, während die fünf Kameraden, sichtlich gealtert, sich nur für den Schuhplattler noch von der Rentnerbank erheben können. Die schönste Singstimme der 6-Zylinder hat der Holländer Jos Gerritschen, der mit Billy Joels „For The Longest Time“ ordentlich Tempo und die holländische Nationalelf mit „Everybody Get’s A Second Chance“ für die Fußball-WM fit macht und der einen passablen „King Of Rock ‘n’ Roll“ abgab. Ganz viel Komik ins Spiel bringt Thomas Michaelis als stocksteifer Engländer und als „Zementmeister“; Winne Voget outet sich mit dem souligen „Ebbe und Flut“ als Nordlicht; Nicolas Leibel entführt mit „Buena sera, Signorina“ in ein Italien, das auch englische Liebessäuseleien versteht. Egal, wer gerade mitten im schönen Bühnenlicht steht: Immer kann er sich auf dem musikalischen Klangteppich (war da nicht doch irgendwo eine Band?!?) sicher bewegen. Natürlich forderten die Menschen unterm Zeltdach Zugaben.
Natürlich bekamen sie sie: „Staying Alive“ von den Bee Gees, zum Beispiel (klasse gesungen und klasse gespielt!), das fröhlich-ausgelassene „Thank God, I’m A Country Boy“ und ein Liebeslied: „When I Need You“. Ganz am Schluss folgte dem Geben wieder ein Nehmen: „Amazing Grace“, gesummt und auf „Na, na“ gesungen vom Publikum.
Foto-Text: Zum Genießen still und schön. 6-Zylinder überzeugten mit stimmlicher Finesse und tollen Performances. Foto: dima

Welch Malheur!
„Ich bin so was von enttäuscht.“ Hermann Otto, Präsident des Sängerbunds Nordrhein-Westfalen und Vorsitzender des Sängerkreises Siegerland, hatte sich den Pfingstmontagmorgen bei KulturPur anders vorgestellt. 101 Tenöre aus Siegerländer Chören hätten eigentlich mit 6-Zylinder auf der Bühne im großen Zelttheater stehen sollen. Und wenn nicht genau 101, dann doch 80 oder 60. Oder wenn es wenigstens 50 gewesen wären! Doch zur Generalprobe um Schlag neun Uhr früh erschienen sage und schreibe acht Sänger. Zu wenig, um bei drei Songs die sechs A-cappella-Stars zu flankieren. Peinlich, peinlich. Aber vermeidbar? Vielleicht. Denn auch nach mehrmaligem ermunternden Aufrufen, blieb das Echo gering. Möglicherweise hätte der Sängerkreis-Vorsitzende ein paar Wochen früher die Reißleine ziehen und absagen müssen. So glaubte gestern Morgen mancher im Publikum, Kreiskulturreferent Wolfgang Suttner scherze, als er sagte, es hätten sich nicht genügend Tenöre für die Show gefunden. Offenbar hatten sich die KulturPur-Macher fest auf die Chöre im Sängerkreis verlassen – und erfuhren zu spät von dem Malheur. ciu

Man trifft sich bei KulturPur
Auf der Heide lockten viele Angebote zum Anschauen, Mitmachen und Begegnen
gmz Grund. Man trifft sich bei Kultur- Pur auf dem Giller: „Ach, ihr auch hier?“ – „Ja, wir wollten mal . . .“ So oder ähnlich konnte man auch am Sonntagnachmittag bei vergleichsweise gutem Wetter viele Begegnungen beobachten, wenn man über die (in einem kleinen Teil sogar wegen Matsches gesperrte) Ginsberger Heide schlenderte.
Das trockene, wenn auch noch recht kühle Wetter lockte im Laufe des Nachmittags zusehends mehr Menschen auf den Giller: Man sah sich mal an, was so geboten wurde, vielleicht vor einer Abendveranstaltung, vielleicht als Pfingstspaziergang, hielt ein Schwätzchen mit Bekannten, nutzte die Angebote der Gastronomie, machte einen Spaziergang zur Ginsburg, wo das Hilchenbacher Hoftheater Aristophanes’ Klassiker „Lysistrate“ aufführte, diesmal bei besserem Wetter und wieder unter geschickter Einbeziehung der wunderbaren Naturkulisse in das Stück. Wenn es doch mal gelänge, Aristophanes Idee konsequent in die Tat umzusetzen (bzw. eben in die nicht-Tat!)!
Begleitet wurde der Bummel auf der Ginsberger Heide auch vor den Zelten von den Klängen der Band BB’s Finest, die nicht nur im „Mittelzelt“ mit ihren Coverversionen bekannter Songs die Zuhörer unterhielten, an „alte Zeiten“ erinnerten, in Erinnerungen schwelgen ließen. Wer nicht in Erinnerungen schwelgte, der konnte sich amüsieren lassen, beispielsweise von der absurden (und gleichzeitig perfekt inszenierten) Akrobatik der Londoner Covent Garden Streetperformer, die mit Einrad und Gymnastikball wunderbare Jonglage-Nummern zeigten. Doch noch witziger war, zuzusehen, wie sie es dann doch noch irgendwie schafften, ihre Auftritte so weit vorzubereiten, dass sie auch mal jonglieren konnten. Wirklich gekonnt! – Das WDR-Zelt lud mit Klang-Skulpturen zu einer „anderen“ Kunst-Begegnung ein.
Die jüngeren Besucher bearbeiteten (nach Anmeldung) mit Verve und genauer Vorstellung Baumstämme, um daraus ihre persönlichen „Mini-Möbel“ herzustellen – zweckmäßige Dreibeiner, fein behauene Tische oder prächtige Lehnstühle, grobe Hocker oder imposante Throne. Im Zelt konnten sie, ebenfalls unter der Anleitung von Mitarbeitern der Jugendkunstschule, ihre Traum-Zimmer im Schuhkarton oder auf Tapetenwänden zaubern: Es war eine „Mini-Möbel-Messe“ vielleicht zukünftiger Designer! In MOMUs Rockmobil nebenan konnte man unterschiedliche Instrumente ausprobieren und so vielleicht „seinem“ Instrument begegnen.
Vor dem Theaterwagen der Freiburger Puppenbühne verfolgten Kinder gespannt mit ihren Eltern, wie der Kasper mit Hilfe seines treuen Hundes Bello den armen König Leopold aus den Klauen des bösen Zauberers befreite, und gaben dem tapferen Kasper-Helden auch lautstark Tipps, wie er den Tricks des Zauberers entgehen könnte. Andere wiederum machten sich auf zur „geheimen Waldwerkstatt“, wo man mit Früchten, Stöcken, allerlei Waldfundstücken u. a. Waldschrate und Knüppelgeister oder einfach ein paar haptisch ansprechende Mooskugeln herstellen konnte. Försterin Christa Vitt-Lechtenberg vom Forstamt Hilchenbach betreute diese Abenteuer-Werkstatt. – Man traf sich nicht nur auf dem Giller, sondern man konnte sich seine „Kultur“ aus dem Angebot aussuchen und „selber machen“!

KulturPur 2006 zog ein junges Publikum an
Suttner: „Wir sind sehr zufrieden, glücklich und entspannt“
sz Grund. Bis gestern Abend spät stand die Ginsberger Heide ganz im Zeichen von KulturPur. Schon am Nachmittag zog Festivalleiter Wolfgang Suttner, der Kulturreferent des Kreises Siegen-Wittgenstein, sein persönliches Resümee: Wir sind sehr zufrieden, ganz glücklich und entspannt.“ Warum? Zum einen, weil das Publikum in Scharen auf den Giller reiste. „Wir hatten 20 Prozent mehr Besucher als im Vorjahr. Insgesamt schätzen wir, dass über 55 000 Menschen die 16. Auflage von KulturPur miterlebt haben.Zum anderen hätten, so Wolfgang Suttner, die angebotenen Produktionen durchweg sehr gut funktioniert.
Sehr, sehr froh ist Wolfgang Suttner darüber, dass im Vergleich zu KulturPur 2005 dieses Mal 30 Prozent mehr junge Leute zu Gast gewesen seien. Christina Stürmer, zum Beispiel, zog das junge Publikum unheimlich an. Und richtig gut angenommen worden seien auch die Nachmittagsprogramme für die ganze Familie. Da sei es fast gut gewesen, dass das Wetter ein wenig kühl war: Es trieb die Leute zu den Programmen im Zelt. Bereits ausblickend auf weitere Kultur-Pur-Jahre verwies Wolfgang Suttner auf die im Herbst anstehende Gründung eines KulturPur-Fördervereins. Schon jetzt hätten sich 120 Interessierte rückgemeldet; darunter auch zwei, die sich um Vorstandsposten beworben hätten. Einer aus Essen, einer aus Biedenkopf. Was auch zeige, dass KulturPur längst weit über den Tellerrand von Siegerland und Wittgenstein hinausgewachsen sei. 

07.06.2006

Top-Konzert am ungeliebten Montag
Bob Geldof beendet KulturPur 2006 mit gelungenem Mix aus Rock und Folk
bö Grund. KulturPur 2006 ist Geschichte. „Saint Bob“ beendet das Festival in „the Countryside of Germany“ mit einem packenden Konzert. Und das, obwohl er (wie die meisten von uns) angeblich keine Montage mag. Ratzfatz ist das Publikum auf den Beinen. Der für sein – alle Ehren wertes – humanitäres Engagement von Königin Lisbeth zum Ritter geschlagene Ire demonstriert eindrucksvoll, dass er auch musikalisch richtig viel „Gutes“ tut.
Eine formidable Band neben sich, entpuppt sich Bob Geldof als exzellenter Frontmann, dessen Charisma weit über die ersten Reihen vor der Bühne hinausgeht. Er hat die Rockstarposen – und die wirken bei ihm nicht aufgesetzt – glaubhaft drauf. Die Gitarre auf dem Rücken windet er sich um den Mikrofonständer und reckt die Linke in die Luft: „I don’t mind at all!“ Klar, der Typ hat eine Botschaft, und der „Great Song Of Indifference“ vom 90er Album „Vegetarians Of Love“ bildet nicht umsonst die Klammer des 120-minütigen Musikpakets. Wer allerdings erwartet hat, dass Ritter Bob den Giller als Kanzel nutzt, der wird (angenehm) enttäuscht.
Im Zentrum steht die Musik. Und die passt punktgenau in die deutsche „Countryside“. Nicht zuletzt wegen der folkigen Grüße von der Grünen Insel an den genauso grünen Giller. Robert Loveday streicht eine so heiße Fidel, dass man sich mit geschlossenen Augen ab und an durchaus in einen irischen Pub beamen kann. Oder in einen heißen Club Downtown Los Angeles. Die Truppe schöpft aus allen Quellen.
Es rockt und bluest sogar ein wenig. Geldof bläst eine heiße Mundharmonika, John Turnbull feuert kräftige Gitarren- Licks ab. Eine kleine Prise Punk fehlt nicht, wenn Boomtown-Rats-Nummern angestimmt werden. Obwohl, die Rats waren zumindest musikalisch immer eher eine solide Rockband als eine wüste Punktruppe. „When The Night Comes“ von der Langspielplatte „The Fine Art Of Surfacing“ aus grauer Vorzeit (1979) ist ein Beleg für diese These.
Natürlich fehlen die Hits nichts. In „Banana Republic“ packt Geldof die klassische Reggae-Zeile „Many Rivers To Cross“ ein. Es ist gut und wichtig (das ist völlig unpathetisch gemeint), dass es Menschen wie Bob Geldof gibt, die helfen, Brücken über die Flüsse zu bauen. Bei „Mondays“ hält es dann endgültig nur noch die vom KulturPur-Rummel total Erschöpften auf den Sitzen, und „Rat Trap“ rockt, dass der Holzboden mitschwingt. Klar steht Geldof vor rund 1500 Menschen beim Festival- Abschluss im Mittelpunkt, aber die Combo auf der schick ausgeleuchteten Bühne (Patrick Cusack, Bass, Alan Dunn, Keyboards, Niall Power, Drums und Mark Hewins, ehemals Softmachine) entpuppen sich als kompaktes Kraftwerk. Übrigens, zumindest auf den Sitzplätzen in der Zeltmitte war der Sound richtig gut. Auch das trug dazu bei, dass die Nummer „Walking Back To Happiness“ sich als heimliches Motto eines feinen Finales entpuppte.
Foto-Text: Bob Geldof ist ein exzellenter Frontmann, dessen Charisma weit über die ersten Reihen vor der Bühne hinausreicht. Foto: dima 

Einsatz pur – rund um die Uhr
Die Giller-Helfer und ihre Arbeit hinter den Kulissen
kafu Grund. Nach rund zwei Stunden ging das Licht auf der Bühne wieder aus und im Saal an. Der Auftritt von Bob Geldof, Ben Becker oder dem Ballett Kiel bei KulturPur war vorbei. Ganz und gar nicht vorüber war in diesem Moment die Arbeit der rund 120 Helfer – Künstlerbetreuer, Ordner, Techniker, Organisationshelfer, DRK, Feuerwehr und Kassierer. Sie alle sorgten mit dafür, dass auch vor und nach den Shows, hinter der Bühne und auf dem Festival- Gelände alles rund lief. Kurz sind die Festivalnächte oft für die Künstlerbetreuer; Improvisationstalent und Flexibilität sind gefragt, wenn die Stars auf dem Gelände sind. Ben Becker reiste mit seiner Crew gegen 9 Uhr am Samstagmorgen an. In diesem Augenblick hatten die Betreuer schon einige Stunden Wartezeit hinter sich, denn die Ankunft des Schauspielers und Kinski-Rezitators war zwar genau terminiert, hatte sich aber verzögert.
Beckers Garderobe hinter der Zeltbühne war von den Betreuern hergerichtet, Getränke und Essen standen – genau nach den Vorgaben des Managements – bereit. Auch eine Dusche war für den Berliner reserviert; eigentlich ein Waschraum der Helfer, die an diesem Tag aber auswichen. Während das KulturPur-Team sich Backstage um Becker und seine Crew kümmerte, waren auf der Bühne schon die Techniker im Einsatz: beim Aufbau, Einleuchten und dem Soundcheck. Garderobe aufräumen, den einen oder anderen Sonderwunsch erfüllen und manchmal einfach abwarten: Beckers Künstlerbetreuer waren immer in der Nähe.
Inzwischen standen die Fans schon Schlange vor dem Eingang des Kleinen Zeltes. Bis zum letzten Moment arbeiteten Techniker an Licht und Sound, bewegten sich manchmal in zwölf Metern Höhe, um die Beleuchtung einzurichten. Dann konnten sich die Besucher – vorbei an der Einlasskontrolle der Ordner – ihre Plätze aussuchen. Die Ordner waren es auch, die die Bestuhlung auf- und abbauten, bei größeren Konzerten den Bereich vor der Bühne bewachten und sich manchmal – ruhig, höflich und selbstbewusst – gegen störrische Gäste durchsetzen mussten.
Eindreiviertel Stunde war „Zirkusdirektor“ Becker auf der Bühne. Und als seine Zuschauer schon auf den Heimweg waren, kümmerten sich die Betreuer um ein warmes Abendessen für den Künstler. Andere Teams bauten inzwischen die Bühne wieder um, räumten Equipment zusammen, bereiteten den nächsten Auftritt vor.
Becker reiste am Samstag mit seinem eigenen Tour-Bus an, andere Künstler wurden, manchmal mitten in der Nacht, in Frankfurt, Düsseldorf oder Köln am Flughafen abgeholt und nach dem Auftritt wieder zu ihrem Flieger gebracht. Die Musiker einer Band holte das Kultur-Pur- Team zu drei verschiedenen Zeiten an zwei unterschiedlichen Flughäfen ab. Aber nicht nur Betreuer und Fahrer legten Nachtschichten ein: So erforderte die aufwendige Show des Balletts Kiel ein solches Maß an technischer Vorbereitung, dass in mehreren Schichten gearbeitet werden musste.
Ein anderes Problem hatten derweil einige Künstlerbetreuer zu lösen: Ein Star hatte sich spontan überlegt, in seiner Show einen Rollstuhl einzusetzen. Hilfe kam vom Netphener Seniorenzentrum – hier konnte sich das Giller-Team kurzfristig einen Rollstuhl ausleihen. Allerdings: Gebraucht wurde er während der Show dann doch nicht.
Viele Künstler wissen das Engagement der ganzen Kultur-Pur-Crew zu schätzen und sagen im Gästebuch – mehrsprachig – Danke: „Euer Team ist großartig“, schreibt Ballett Kiel, von Peter Shub kommt der Eintrag „Love to all who make KulturPur possible“, und „Muchos gracias“ sagt Carlos Núnez – für Einsatz pur bei KulturPur. Zwei, die sich auskennen: Auch Andrea Dilling und Tobias Habig halfen beim 16. KulturPur-Festival mit.