KulturPur 2005

Internationales Musik- und Theaterfestival
auf dem Giller bei Hilchenbach-Lützel
Berichterstattung der Westfälischen Rundschau

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Westfälische Rundschau 18.05.2005

Liberg hat Lust auf die Philharmonie
Wunschzettel ist noch lang
(sw) „Ich bin emotionslos und abgehärtet.” Sagt KulturPur-Chef Wolfgang Suttner, wenn wieder einmal alle über das Wetter sprechen. Nur manchmal gewinnt die Schwerkraft gegen menschliche Entschlossenheit und zieht die Mundwinkel ganz tief nach unten, wenn der Dauerregen vom nächsten Gewitterschauer unterbrochen wird. Das geht aber auch schnell vorbei. Und schon entstehen sie wieder, jene Sätze für die offizielle KulturPur-Abschlusserklärung: „Unsere üppige und ungemein schöne Mittelgebirgskultur braucht genau diesen Regen”, stellt Wolfgang Suttner fest, „wir können unser Konzept nur dann glaubhaft praktizieren, wenn wir die Natur in ihrer Unmittelbarkeit akzeptieren.”
 Für den Festivalleiter sind die fünf KulturPur-Tage auf dem Giller „Kommunikations- und Kreativitätsfeld”. Im Gespräch mit Künstlern werden Netzwerke gesponnen - solche, die dabei helfen, Legenden wie Marianne Faithfull auf den Giller zu holen. Netzwerke, die irgendwann auch Paolo Conte, Joan Baez, Charles Aznavour und Randy Newman erreichen sollen. Und im Gespräch mit dem Publikum kommen neue Ideen auf - zum Beispiel, die Philharmonie einmal ganz im Grünen auf einer Waldlichtung musizieren zu lassen.
 Hans Liberg, der Musikkabarettist, hat zugesagt, einen KulturPur-Act mit der Philharmonie zu produzieren. Suttner: „Er wird dann in die Diskussion mit dem Dirigenten einsteigen.” Da ist es ein ausgesprochener Glückfall, dass das besser denn je aufgelegte Orchester mit Russell N. Harris einen ausgesprochenen Entertainer an der Spitze hat. „Das nimmt den Leuten die Scheu, ins Konzert zu gehen.”
 Verlängert wurde auch in diesem Jahr die Liste, was bei KulturPur geht und was nicht. „Unser Publikum ist anspruchsvoll und risikofreudig”, sagt Wolfgang Suttner. Allerdings: Es bedarf der eindeutigen Schlagwörter, die es erleichtern, das zu Erwartende einzuordnen. Das gelang mit Liberg und den Stichworten „Musik” und „Kabarett”, das gelang nicht bei Marianne Faithfull, der „gebrochenen Legende”. Hilfreich ist dann die Wiederholung - so wie bei der Solo-Show des „Caveman”, die von Tag zu Tag besser besucht war. Für Kreuztals Kulturreferent Michael Townsend eine Ermutigung, Ähnliches auch im großen Zelt zu probieren: „Hiermit konnten wir den Ruf von KulturPur als Theaterfestival wahren.”
 Die Abende mit den zwei TopActs um 18 und um 21 Uhr dienten auch dazu, die Zeltkapazität besser auszunutzen. Die Kehrseite: Die Late-Night-Shows beginnen nicht vor 23.30 Uhr. „Es ist die Frage, ob die noch funktionieren”, sagt Suttner. Denn wenn das Programm dann nach 1.30 Uhr zu Ende ist, steht den Gästen ja auch noch die Heimreise vom Giller herab bevor. Eine Lösung wäre der Umbau der Zelttheaterstadt: Wenn ein kleines Theater mit gehörigem Abstand aufgebaut wurde, könnten die Bühnen parallel bespielt werden.
 „Es ist jedes Jahr der Wahnsinn”, sagt Wolfgang Suttner. Und der Wahnsinn geht weiter: Nächstes Jahr vielleicht auch mit Anett Louisan („Ich will doch nur spieln”). „Wir sind schon in Kontakt.”

 

Westfälische Rundschau 18.05.2005

Erst Hörgerät, dann Hendrix
(lpd) Ein Hörgerät brauchten die Zuhörer im Zelt nicht. Als die gleichnamige Coverband am Samstag im Rahmenprogramm bei KulturPur auf der Bühne stand, war sie auch so weithin zu hören.  „Hörgerät” bot seinem Publikum mit Stücken von Herbert Grönemeyer, Xavier Naidoo, BAP, Westernhagen oder Pur eine bunte Mischung aus deutschem Rock und Pop.  Ähnlich begeistert waren auch die Zuhörer am Montag von „The Hendrix”. Der Name war Programm, und Stücke des einzigartigen, viel zu früh verstorbenen Gitarristen Jimmy Hendrix schallten durch das Zelt. Viele Musikfans waren extra auf den Giller gekommen, um diese Band zu hören. Die vierköpfige Tribute-Band mit Gitarrist Steve Curly, Sänger Karsten Burkhardt, Drummer Fritz Klappert und Bassist Andre Schneider hatte aber nicht nur Songs des großen Hendrix auf der Playlist. Ihr Motto heißt „back to the Sixties”, und da passen auch Stücke wie Elvis Presleys „Jailhouse Rock”. Dem Wetter zollten sie Tribut mit „Walkin' on sunshine” von Kathrina & the Waves. Bei ihrem einstündigen Gig machten Hendrix Lust auf die Nacht mit den legendären Woodstock-Gruppen.

 

Westfälische Rundschau 18.05.2005

Rock-Legenden ließen's krachen
Boogie-Könige von Canned Heat schossen beim letzten Top Act den Vogel ab 
(thy-) Es wurde das erwartete Klassentreffen der Siegen-Wittgensteiner Alt-Hippies und aller, die es noch werden wollen, und niemand wurde am Montagabend gesichtet, der sein Kommen zu vier Stunden Sixties-Seligkeit bereut hätte: Zum Festival-Abschluss ließen es die Rock-Legenden von Iron Butterfly, Canned Heat und Ten Years After noch einmal richtig krachen.
 Den Vogel schossen dabei sicher die Boogie-Könige von Canned Heat ab. Sie zauberten gleich zu Beginn mit den Klassikern „Bullfrog Blues” und vor allem „On The Road Again” eine prächtige Stimmung ins große Zelt, die auch bei neueren Titeln wie „World of Make Believe” oder „1, 2, 3 - here we go again” nicht schlechter wurde.
 Erstaunlich, denn der Tod hat - zum Teil schon früh - so große Lücken in die Formation gerissen, dass nur noch Schlagzeuger Fito de la Parra den legendären Woodstock-Auftritt mitgemacht hat. Doch vor ihm standen mit Greg Kage (Bass), Dallas Hodge (Gitarre), Don Preston (Gitarre) und Stan Behrens (Flöte, Harmonika, Saxofon) vier Musiker, die nicht nur ihre Instrumente beherrschten, sondern allesamt auch am Gesangsmikrofon eine gute Figur machten. „Goin' Up The Country”, „Let's Work Together”, „Time Was” aus den Sechzigern, dazu der „Harley Davidson Blues” von 1973 - Canned Heat hätte man auch gerne einen ganzen Abend lang gehört.
Dagegen waren Iron Butterfly, die das Abschlusskonzert auf dem Giller eröffneten, schon immer etwas für Ohren, die sich bei kreischenden Gitarren und schneidenden Orgelklängen wohl fühlen. Die Hitgeschichte des „Eisernen Schmetterlings” reduziert sich zumindest in Europa fast ausnahmslos auf das 18-Minuten-Stück „In-a-gadda-da-vida”, das aber auch nach 37 Jahren immer noch fasziniert: Vor allem das einst richtungsweisende Schlagzeug-Solo des einzig verbliebenen Originalmitglieds Ron Bushy, aber auch die wie auf einer Kirchenorgel gespielten Einsätze danach haben sich in den Köpfen einer ganzen Generation von Psychedelic- und Underground-Fans festgesetzt und wurden auf dem Giller entsprechend gefeiert.
 Ten Years After schließlich machten bei Kultur Pur 2005 die Türen zu. Einst als Nachfolger von Cream gefeiert und ebenfalls bei Woodstock am Start, servierten sie gleich zu Beginn die beiden Klassiker „Goin' Home” und „Love Like A Man” und konnten danach nicht mehr viel falsch machen.
 Erstaunlich, wie Joe Gooch den legendären, einst als flinksten Finger der späten sechziger und frühen siebziger Jahre gepriesenen Gitarristen Alvin Lee ersetzt hat; vor allem deshalb erstaunlich, weil er 1977 geboren wurde - zu einem Zeitpunkt also, als die erste Karriere seiner jetzigen Kollegen Leon Ryons, Ric Lee und Chuck Churchill schon längst Geschichte war.

 

Westfälische Rundschau 18.05.2005

Das Hoftheater gab sein Bestes
(sw) „Halten Sie durch”, appelliert Hoftheater-Regisseur Hartmut Kriems an die tapfere Besucherschar. Für die ist das Ehrensache: Schließlich ließ sich das Ensemble bei seinen beiden Vorstellungen auf der Ginsburg zwei Mal bis auf die Haut durchnässen.
 Am Anfang kommt es darauf an, ganz schnell Platz zu nehmen auf den gerade trocken gewischten Stühlen. Mülltüten decken die Knie ab, auf die der nasse Schwall von den Regenschirmen der Platznachbarn oder direkt aus dem Himmel platscht. Profis haben Isomatten dabei.
 Das in dieser Hinsicht geprüfte, seit 20 Jahren bestehende Amateur-Ensemble tritt unter Regenschirmen mit Hoftheater-Enblem auf. „Lysistrate oder Wie die Frauen den Krieg gewannen”: Aristophanes schrieb aus Anlass des Krieges zwischen Athen und Sparta die Komödie, wie Frauen sich sexuell verweigern, um ihre Männer zum Frieden zu zwingen. Die Hilchenbacher haben sich bei Rühmkorf und Jandl, Ringelnatz und F.K. Waechter bedient - der 60. Jahrestag des Kriegsendes ist der Anlass gewesen, die Inszenierung bei KulturPur noch einmal zu zeigen.
 Karin Mankel als Lys, Anna Wilhelm als Kleo, Andrea Benito als Myrr und Sabine Niederau als Lam geben die Frauen, die den Soldaten mit deftigsten Worten entgegengetreten und sie schließlich mit Wasserbomben bewerfen. Umwerfend komisch Fabian Braun als Sergeant, Lenny Kriems als Captain und Frank Klischies als Colonel, der den Jeep durch die Schlammfontänen zu lenken hat - deutlich die Anspielung auf den zweiten Golfkrieg, der das Ensemble motiviert hat, eine Friedens-Komödie zu erarbeiten.
 Manfred Hirsch, Senior des Ensembles, markiert als Veteran mit einem Monolog über das Grauen des Krieges den Wendepunkt im Stück, dem - als Kabinettstückchen - die Szene mit den liebeshungrigen Kinesias (wiederum Fabian Braun) folgt, den seine Frau Medea (Natalie Klezel) mit Bohnerwachs „salbt”, um sodann das Weite zu suchen. Schließlich das Finale mit dem Friedensschluss und dem Pakt der Kinder, die sich ihren Eltern verweigern, sollten diese noch einmal einen Krieg vom Zaum brechen.
 Albert Prins hat wieder die Musik geschrieben, die von den „Swinging Elephants” aus Kreuztal gespielt wird. „Wir geben unser Bestes”, hat Hartmut Kriems versprochen. Das hat das sympathische Ensemble auch getan. Und das hat sogar die Sonne beeindruckt: Irgendwann bricht sie durch die Wolkendecke durch. Für einen Moment.

 

Westfälische Rundschau 17.05.2005 (Mantel)

Punktgenau fürs Publikum
Hilchenbach. "Halten Sie durch!" Hartmut Kriems, Regisseur des Hilchenbacher Hoftheaters, appelliert mit Erfolg an das Publikum, das sich zwei Nachmittagsvorstellungen lang bei "Lysistrate" nach Aristophanes durchnässen lässt - eine der ganz wenigen "KulturPur"-Produktionen, die planmäßig im Freien stattfinden konnten. Immerhin: Zum gestrigen Finale lichteten sich die Wolken.
43 000 Menschen kamen zu einem Festival auf der Ginsberger Heide, das so tief ins Wasser gefallen ist wie kaum eines in den 14 Jahren zuvor. Zugleich aber war die 15. Auflage von KulturPur eine, in der alle Programm-Höhepunkte praktisch punktgenau beim Publikum landeten - enttäuschende "Ausreißer" blieben aus.
Ein Highlight war das Gastspiel von Marianne Faithfull, die bei KulturPur ihre aus Gesundheitsgründen unterbrochene Europa-Tour wieder aufnahm. Sie war mit Liedern von Kurt Weill und Friedrich Holländer unterwegs, sie macht immer mal wieder längere Konzertpausen, um Theater zu spielen. Bei vielen Kritikern steckt sie noch in der Schublade mit der Aufschrift "Sixties-Ikone". Nichts von alledem bei KulturPur: Auf dem Giller packte Marianne Faithfull die Rock-Röhre aus.
Es fehlte kaum ein Meilenstein ihrer großartigen Karriere, die allerdings einen zehn Jahre währenden Knick hatte und erst 1979 mit "The Ballad of Lucy Jordan" wieder Fahrt aufnahm. Ihr Versprechen vom Konzertbeginn hielt die Faithfull mit einer knallharten Rockband im Rücken mühelos: "Wir geben alles." Da wurde selbst der PJ Harvey-Song "Mystery of Love", auf dem aktuellen Album "Before The Poison" eine eher zurückhaltende Akustik-Ballade, zum schweißtreibenden, stampfenden Kracher, übertroffen noch von John Lennons "Working Class Hero" oder von der ersten Zugabe "Broken English".
Die leiseren Töne blieben also selten. Tom Waits "Strange Weather" hat die 57-jährige Engländerin, die in Irland lebt, aber wieder im Programm, und "Times Square" von Barry Reynolds, der ihr nun schon seit vielen Jahren als musikalischer Begleiter zur Seite steht und erneut eine vorzügliche Gitarre spielte.
Eher überraschend: Marianne Faithfull zog deutlich weniger Publikum als erwartet. 900 Zuschauer wurden gezählt - zum Vergleich: Die Eröffnungs-Tango-Produktion mit der Philharmonie Südwestfalen hatte 1400 Gäste, Mousse T. mit Roachford ("Pop Muzak") und Emma Lanford ("Horny") sogar 1600. In der nach-mitternächtlichen Late-night-Schiene kamen immer noch 1100 zu "Hot Chocolate" und 700 zum Deutsch-Soul-Sänger Stefan Gwildis, der sein Grand-Prix-"Lied für Kiew" auch auf den Giller mitgebracht hatte.
Vergnügen der allerfeinsten Art bereitete der aus Amsterdam stammende Musikkabarettist Hans Liberg. 1500 Menschen traten die Lachtränen aus den Augen, als er in bester Musiklehrer-Manie(r) auf dem Steinway die Klassiker anspielte, modulierte und kommentierte. Von Mozart zu Schnappi, vom Kaiserquartett zu "All you need is Love - alles ist miteinander verwandt, lehrt Liberg, der alle Grenzen zwischen den Genres öffnet, die womöglich nur willkürlich gezogen sind. Bis auf die zum Ententanz und zum Handy-Klingelton. Vielleicht.
Von Steffen Schwab und Wolfgang Thomas

 

Westfälische Rundschau 17.05.2005

Jäger aus Kurpfalz und Ännchen von Tharau: 14 Chöre und fast 400 Sänger
Singend zur Burg der tausend Stimmen
(sw) Da lacht die Sonne, da lachen die Sangesfreunde, da lacht das Publikum. Sabine Görg begrüßte gestern Nachmittag eine schier endlos große Besuscherschar - „zum Singen und Wandern auf dem Pfad der Lieder zur Burg der tausend Stimmen”. Die zweite Geschäftsführerin des Sängerkreises Siegerland und die beiden Sängerkreis-Vorsitzenden Hermann Otto (Siegerland) und Fritz Heinrich Hof (Wittgenstein) konnten stolz sein: Immerhin hatten sie für ihr zweites KulturPur-Projekt 14 Chöre aufgeboten, die sich zu Chorgemeinschaften formier ten und am Wegesrand zwischen Giller und Ginsburg Ständchen brachten. Die stattliche Zahl von 382 Sängern und Sängerinnen war zusammengekommen.
 Ein scharfer Pfiff. „Kann der Frauenchor Freudenberg mal mit dem Proben aufhören?” An diesem Nachmittag, aber nur an diesem, darf im Wald nicht jeder singen, wann er will. Dann geht es los an der ersten Station. Kreischorleiter Gerhard Schneider selbst dirigiert die Chöre aus Gernsdorf, Niederdielfen, Bichelbach und Niederdielfen. Derweil wartet Karola Bäumer an der zweiten Station mit ihren Freudenberginnen auf die riesige Wandergruppe. Ralf Schmidt dirigiert an den beiden folgenden Stationen: zuerst die Burbacher, Lützelner und Eiserner Eintracht, dann die Gilsbacher, Wiedersteiner und den Eiserner Liederkreis. Es erklingen: Das „Mailied”, „Die Gedanken sind frei” und viele andere Melodien.
 An der Ginsburg warten Jens Schreiber und die Camerata Vocale mit dem Ännchen von Tharau und dem Jäger aus Kurpfalz. Seine Gäste von den Philippinen, die Imusicapella, hat der Posaunenchor Hilchenbach mitgebracht, der das Finale bestreitet: Bei „Wer recht in Freuden wandern will” und „Kein schöner Land” sind die tausend Stimmen komplett.

 

Westfälische Rundschau 17.05.2005

Mousse T. präsentierte Emma Lanford, Roachford und James Kakande
Der Meister auf der Bühne
 (IS) Mousse T. brachte das Zelttheater zum Beben. Zusammen mit einer zehnköpfigen Band bewies der Künstler seine Vielseitigkeit.
 Aber auch die drei Vokalisten Emma Lanford, Andrew Roachford und James Kakande brauchten sich nicht im Schatten des Meisters zu verstecken. Mit bekannten Hits wie „Sexbomb” und dem neuen Charterfolg „Is it `cos I`m cool” begeisterten sie die Zuschauer. „Die Ärzte sind die beste Band der Welt, wir sind die faulste”, verkündete Mousse T. während des Konzertes. Dass das nicht ernst gemeint sein konnte, merkten die rund 1600 Musikfans schnell: Emma Lanfords Power und Roachfords Soulstimme wurden mit tosendem Applaus belohnt. Der nicht ganz so bekannte Sänger James Kakande überzeugte ebenfalls mit seiner Leistung. Sogar ein heimisches Talent fand sich auf der Bühne ein: Der Bassist Peter Hinderthür wurde von Mousse T. als gebürtiger Siegener vorgestellt.
 Nicht nur junge Zuhörer freuten sich, wenn Emma Lanford „Right about Now” und „Horny” ins Mikrofon schmetterte. Unterstützt wurde sie dabei durch den Remix- Meister selbst am Keyboard sowie durch eine meisterhafte Bandleistung. Auch wenn der Sänger Roachford vielleicht nicht jedem ein Begriff ist, so erkannten viele sofort seinen erst neulich erschienenen Hit „Pop Muzak”.
 Mit diesem Konzert zeigte Mousse T. wieder einmal, warum er auch international einen so durchschlagenden Erfolg hat. Nicht nur das Remixen von Liedern liegt ihm im Blut: Auf der Bühne haben seine Kompositionen eine ebenso große Präsenz wie in den Charts.  Auch an Improvisationstalent scheint es dem Ausnahmemusiker nicht zu mangeln. Zu überbrücken war der Ausfall von Calvin Lynch, der einen Motorradunfalls erlitten hat. Percussionist Maddi Tation baute zum Ausgleich ein mehrminütiges Trommelsolo ein.

 

Westfälische Rundschau 17.05.2005

Soul auf Deutsch: Großer, später Auftritt
Wunderschönes Grau für den Giller
(sw) Der Mann, der im vorigen Jahr einen auf dem Giller einen Opel Kadett E zertrümmert hat, mag den Giller. Stefan Gwildis war wieder da - diesmal als Soul-Sänger mit deutschen Texten.
 700 Gäste erlebten die mitternächtliche Show im kleinen Zelttheater bei einem perfekten Gastgeber. Der 46-Jährige, dem der George-Clooney-Vergleich derart nacheilt, dass er auch hier am Nebensatz nicht vorbeikommt, geht auch auf die ganz jungen weiblichen Fans freundlich ein, ohne deren Wünschen nachzugeben („Ausziehen...”), und erfüllt, nachdem er sich vorher erkundigt hat, die mehrheitliche Bitte nach einer pausenfreien Late Night. Er erzählt von seinem Lied für Kiew, das im Vorentscheid doch nur ein Lied für Berlin blieb - „ich stand Auge in Auge mit Ralph Siegel...” Und er verneigt sich vor einer Besucherschar, die immerhin auf Wetten dass und Octopussy im TV verzichtet habe.
 Und reich entschädigt wird: Gwildis, der sich am Hamburger Thalia-Theater zum Stuntfechter ausbilden ließ, ist Sänger und Komponist, Entertainer und Schauspieler. Er ist ein kongenialer Interpret seiner Texte, die er in die Klassiker des Souls mit Akkuratesse hineinübersetzt hat - so kompromisslos exakt, dass eher einmal ein Stück unübersetzt bleibt, als dass auch nur ein Takt im Versmaß verändert oder eine Silbe dem Rhythmus zuliebe und ansonsten ohne Sinn weggeschluckt würde. „Allem Anschein nach bist Du's” kommt von „Ain't no Sunshine” (Bill Withers), „Lass ruhig mal den Hut auf” von „You can leave your Hat on” (Randy Newman), „Das kann doch nicht Dein Ernst sein” von „I heard it through the Grapevine” (Marvin Gaye).
 Natürlich gibt es von der neuen CD „Nur wegen Dir” das „Wunderschöne Grau”, mit dem er Deutschland nun nicht in Kiew vertritt. Einer der Höhepunkte aber ist „Papa will hier nicht mehr wohn”. Die Temptations („Papa was a Rolling Stone”) geben die Vorlage zu der Geschichte, die Gwildis aus Anlass des Mauerfalls am 9. November über eine Familie in der DDR erzählt - tiefe Bedeutung und eine ausgefeilte Choreografie mit einer Handscheinwerfer-Szene, die für die Sorgfalt und den Blick fürs Detail steht, mit dem Gwildis sich vorbereitet hat. Beeindruckend die auch die ungewöhnlich große Besetzung mit reich instrumentierter Band und Chor - immerhin ein Dutzend Menschen bilden das lebende Bild zum Abschluss eines Acts, der ein wenig Geheimtipp geblieben ist.

 

Westfälische Rundschau 17.05.2005

Kein Zweifel: Die erfolgreichste europäische Band der 1970er hat ihre riesige Fangemeinde ins neue Jahrtausend geholt.
Im Saal kochte nicht nur die Schokolade
(IS) Da wurden bei manch einem Zuhörer Erinnerungen wach: Die Popgruppe „Hot Chocolate” spielte in einem nahezu ausverkauften Zelt.
 Rund 1100 „Schokoladen-fans” fanden sich vor der Bühne im kleinen Zelttheater ein, als Sänger Greg Bannis in goldenem Glitzeranzug die ersten Töne zum Besten gab. Es folgte eine zweistündige Show mit weltweit erfolgreichen Hits und schwungvollen Tanzeinlagen. Es gab kaum einen Song, bei dem die Zuhörer nicht mitsingen konnten. Mit ihrer Mischung aus Funk, Rythm and Blues und Synthi-Disco-Sounds zogen die Musiker die Fans sofort in ihren Bann.  Viele Ehepaare erinnerten sich wohl auch daran, den ersten gemeinsamen Tanz zu den Klängen eines „Hot-Chocolate”-Songs versucht zu haben. Mit oft kopierten Hits aus den 70ern wie „Emma” und „Brother Louie” brachten die sechs Briten den Saal auch noch ganz lange nach Mitternacht zum Kochen. Auch dem Letzten ging an diesem Abend ein Licht bezüglich der Band auf - bei den Klängen des Erfolgsliedes „You Sexy Thing”.
 Mit ihren Hits hatte die Band in den 70ern die Status der erfolgreichsten europäischen Band. Dass sie des Titels würdig war, bewies sie bei KulturPur am Samstag allemal. Die Stimmung im Zelt stieg von Lied zu Lied. Während die Stühle im hinteren Teil anfangs noch alle besetzt waren, hielt es spätestens nach „No Doubt about it” keinen mehr auf seinem Platz.

 

Westfälische Rundschau 17.05.2005

Kabarettistische Musikstunde mit Hans Liberg: Am Ende lachten alle Tränen
Unterwegs von Schnappi zu Mozart
(sw) Drei Men in Black kommen auf die Bühne. Der am Schlagzeug, Martijn Klaver, hat immer noch eine Sonnenbrille auf, wenn er eine abnimmt. Der andere Mann in Schwarz am E-Bass ist André Versluijs. Und vorn, ohne Sonnenbrille, vor weißer Kulisse am schwarzen Steinway: Hans Liberg.
 Der gebürtige Amsterdamer, 51 Jahre jung, könnte Musiklehrer sein - wie er die Stücke anspielt, kommentiert, moduliert, überspricht, in den Dialog mit seinen Zuhörern tritt. Das Cross-Dressing mit Jogging-Hose spricht ebenso gegen die Annahme wie die Kopfzahl der zelttheatergroßen Schulklasse. Nichts ist ernst gemeint von dem, was der Musikologe von jetzt an aufführt, fast nichts. Wir lernen: die Verwandtschaft von Beethovens Fünfter, dem Titel gebenden „Tatatata", mit dem Ententanz samt Seniorenversion im Lambert-Sound; den kurzen Weg von Schnappi zu Mozart. Wir lernen: wie die kleine Nachtmusik in der Karaoke-Version klingt und wie schlaflos deren deutsche Version macht. Wir lachen längst Tränen, als die erste von vielen Gemeinheiten gegen André Rieu unters Volk gebracht wird. Und eine von mehreren gegen Helmut Lotti: „Er macht es absichtlich - aber er hört es.” Was ihn von Mozart unterscheidet.
 1981 begann Hans Liberg seine Bühnenlaufbahn in Utrecht. 1989 lernte ihn Dutschland kennen, wo er seitdem einen Kleinkunstpreis nach dem nächsten zuerkannt bekommt. Klar, dass Liberg sich auch hier zu Lande mittlerweile gut auskennt: Mit Bach (goes France Gall, oder umgekehrt), mit Wagner, mit Grönemeyer. Wir spielen ein wenig „Erkennen Sie die Melodie”, wir unternehmen einen Ausflug in die populäre Musik des 20. Jahrhunderts - Supertramp und Haydn, der Flohwalzer und der Entertainer (aus „The Clou”). Liberg greift zur Gitarre und macht das „Gloria in excelsis Deo” aus den „Hard Day's Night” der Beatles heraushörbar. Und das Kaiserquartett aus „All you need is love.”
 Apropos: Die landläufig schönste Sache der Welt hat natürlich zwei Seiten. Die Musik-Doppelstunde neigt sich dem Höhepunkt und unmittelbar folgenden schnellen Ende entgegen. Die ewigen Top Ten der Schlafzimmermusik werden von den Tubular Bells (Mike Oldfield) angeführt - sie sind halt passend lang. Und nicht vergessen: Schubert „Das Wandern ist des Müllers Lust”) litt an Syphilis - „aber das Ergebnis ist fabelhaft”. Nach dem Parforce-Ritt durch die Musikgeschichte bis zum Handy-Klingelton noch ein wenig Sirtaki. Dann Ovationen eine restlos begeisterten Publikums. Und keine Hausaufgaben.

 

Westfälische Rundschau 17.05.2005

Marianne Faithfull zog alle Register
Die Rock-Röhrestartet durch
(thy-) Sie ist mit Liedern von Kurt Weill und Friedrich Holländer auf Tournee gegangen, macht immer mal wieder längere Konzertpausen, um Theater zu spielen, und bei vielen Kritikern steckt sie immer noch in der Schublade mit der Aufschrift „Sixties-Ikone”. Nichts von alledem bei Kultur Pur: Auf dem Giller packte Marianne Faithfull die Rock-Röhre aus.
 Kaum ein Meilenstein ihrer großartigen Karriere, die allerdings einen zehn Jahre währenden Knick hatte und erst 1979 mit „The Ballad of Lucy Jordan” wieder Fahrt aufnahm, fehlte. Und ihr Versprechen vom Konzertbeginn hielt die Faithfull mit einer knallharten Rockband im Rücken mühelos: „Wir geben alles.”
 Da wurde selbst der PJ Harvey-Song „Mystery of Love”, auf dem aktuellen Album „Before The Poison” eine eher zurückhaltende Akustik-Ballade, zum schweißtreibenden, stampfenden Kracher, übertroffen noch von John Lennons „Working Class Hero” oder von der ersten Zugabe „Broken English”.
 Die leiseren Töne blieben beim Auftakt zu ihrer neuen Europa-Tournee also in der Minderheit. Tom Waits' „Strange Weather” hat sie aber wieder im Programm, „Times Square” von Barry Reynolds, der ihr nun schon seit vielen Jahren als musikalischer Begleiter zur Seite steht und auch dieses Mal wieder eine vorzügliche Gitarre spielte. Auch „As Tears Go By” sang sie, jenes Liedchen, mit dem sie 1964 als 17-Jährige zum ersten Mal vordere Hitparaden-Plätze erreichte. Kein Wort allerdings über die beiden Autoren Mick Jagger und Keith Richard, deren allererste gemeinsame Arbeit das Stück ist, und auch keine Verwunderung darüber, dass Reynolds das Solo mit seiner Gitarre in alle greifbaren Disharmonien zerlegte. Dagegen scheint sie mit einem anderen Stones-Song aus jener Ära endgültig ihren Frieden gemacht zu haben: „Sister Morphine”, dieses tief unter die Haut gehende Lied über die letzten Stunden eines/r Heroinabhängigen, hat viel mit ihrer eigenen Lebensgeschichte zu tun; jetzt singt sie es endlich wieder, mit einer Intensität, die Mick Jagger sein Leben lang nicht mehr erreichen wird: „Ein großartiges Lied”, sagt sie, sich im Beifall wegdrehend, „und ich habe diesen Text geschrieben.”
 Fast zwei Stunden lang zog Marianne Faithfull im großen Zelt alle Register ihrer brüchigen, eindringlichen Stimme. Das Publikum hielt es zum Schluss nicht mehr auf den Sitzen, und auch wenn beim ersten Konzert einer langen Tournee nicht alle Einsätze stimmten und die Band einmal sogar ein anderes Lied anspielte, als die 57-Jährige singen wollte: Die Engländerin mit Wohnsitz in Irland hat sich auf dem Giller als wahrer Top Act präsentiert und hatte mehr Zuschauer verdient, als letztendlich in den großzügig gestellten Stuhlreihen Platz genommen hatten.

 

Westfälische Rundschau 17.05.2005

Tanzvergnügen ohne Grenzen: Junge Bands aus Barcelona feierten eine mitternächtliche „Party Catalunya”
Den Rhythmus im Blut
(IS) Rhythmus im Blut, den haben die Bands „Costo Rico” und „La Kinky Beat” auf jeden Fall.
 Die Musiker und Musikerinnen aus Barcelona feierten „Party Catalunya”. Innerhalb von Minuten schafften sie es, das Publikum trotz vorgerückter Stunde mit ihren katalonischen und rockigen Rhythmen mitzureißen. Die Stühle im Zelt dienten nur als Ablagefläche für Jacken, und auch der Bierstand blieb menschenleer. Rund 600 Zuhörer drängten sich dicht vor der Bühne. Sie verschmolzen nach kurzer Zeit zu einer tanzenden Masse.  Angeheizt wurden die „Hüftenschwinger” dabei zunächst von Rumba- und Sambastücken der Newcomer-Band „Costo Rico”. Die acht Musiker sowie die Energie versprühende Sängerin hatten dabei mindestens genauso viel Spaß auf der Bühne wie die Rhythmusbegeisterten davor. Mit ihrer Mischung aus Rumba, Reggae, Ska, Funk und Samba stellten sie bereits auf über 120 Festivals und Konzerten ihre Kreativität unter Beweis.  Auch die „La-Kinky-Beat”- Musiker zogen das Publikum gleich in ihren Bann mit einer tanzbaren Mischung aus Rock, Reggae, Punk und Pop. Die Musiker schienen auf der Bühne mit ihren Instrumenten zu verschmelzen. Dadurch verliehen sie ihren Stücken eine ganz eigene Atmosphäre. Besonders die starke Bläserfraktion machte die „Party Catalunya” zu einem besonderen Musikerlebnis.

 

Westfälische Rundschau 14.05.2005

Der Höhlenmann kann nicht anders
(sw) Du sammeln. Ich jagen. Rob, von seiner Frau vor die Tür gesetzt, findet die Erklärung seiner Misere in der Zeit der Höhlenmänner. Milton Welsh ist ein „Caveman” auf der Bühne - einer von vielen.
Denn wir sind im Jahrzehnt der Warum-Männer-nicht-zuhören-und-Frauen-schlecht-einparken-Traktate. In New York seit 1996, wo sogar schon ein „Caveman Way” getauft wurde. In Deutschland seit 2000. „Wir lernen uns jetzt bald kennen”, kündigt Welsh im Gespräch mit der WR an. Sechs deutsche Cavemen planen ein gemeinsames Special in Berlin an. In seinem Geburtsort Kassel hat der Wahl-Berliner gerade seine ersten drei Vorstellungen gegeben. Auf dem Giller folgen die nächsten drei. Dieser Höhlenmann ist unverbraucht.
Bonanzarad mit Fuchsschwanz, Cowboy- und Indianerspiel, Kloppereien - die Welt der Jungs ist einfacher als die der Mädels, die Mutter und Kind spielen und ein Seil zum Springen benutzen, statt jemanden damit zu fesseln. Und so geht es weiter: beim Einkaufen, beim Über-Gefühle-Reden, beim Probleme-Lösen. Der Mann fällt einen Baum und baute eine Brücke. Die Frau geht um den Tümpel herum. „Du alte Sau”, das ist fast schon eine maximale Sympathiebekundung von Mann zu Mann. „Aber eine Frau schätzt das nicht”, versteht der Höhlenmann, dem im Oechelhäuser-Korn-schweren Schlaf der Neandertaler erscheint, der ihm Bestätigung gibt.
Kleine Kabinettstückchen gelingen Milton Welsh von Szene zu Szene. Der Höhlenmann als Kundschafter der Geschlechter und ihrer Unterschiede - seinen Rob stattet er mit solcher Begabung an Einsicht und Selbstironie aus, dass es der Höhlenmensch in ihm eigentlich gar nicht mehr aushalten darf. Oder doch: Denn dieser Rob ist in seiner Unzulänglichkeit sympathisch genug, dass er trotzdem bleiben darf, wie er ist - die Die-Männer-sind-Schweine-Zeit ist vorbei.
 Milton Welsh - auch ein Caveman? „Ich habe durch mehrere Beziehungen gelernt, wie man sauber macht”, sagt er - und ist gnädig mit dem Rob im Mann: Sicher, der „Caveman” werde manchen dazu bringen, sich für zwei Tage zusammenzureißen. Oder er komme eben noch mal wieder. Mit neuer Freundin. Auf dem Giller noch heute und morgen möglich.

 

Westfälische Rundschau 14.05.2005

Tango-Nacht mit der Philharmonie
Ausflug in eine andere Welt
(Loh) Erstes Highlight von Kultur Pur 2005 war die ausverkaufte Tangonacht der Philharmonie Südwestfalen mit der Sängerin Marga Mitchell aus Venezuela und mit dem Bandoneon-Künstler Raúl Jaurena aus Uruguay.
Damit der Tango sichtbar wurde, kamen paarweise auf die Bühne Carlos Acuna, Carolina Jaurena, Carlos Alberto Yannacanedo und Rosa Collallantes. Sie traten an in strengster Choreografie, ohne artistische Extravaganzen. Ihre Bewegungsfolgen, das gleitende Nacheinander und das scheinbare Stillestehn in Momenten, wo der Tangorhythmus in seiner eigenen Ekstase erstarrt - diese Bewegungen waren von architektonischer Schönheit erfüllt. Das waren Minidramen, in denen jegliches Natürliche verwandelt war in Künstlichkeit.
Die Musik für Tänze mit klingenden Namen wie „A Mancuso” oder „La Pirulita”, „El Botija” oder „La Cumparsita” lieferten die Philharmoniker im neuen Outfit mit weißen Dinnerjackets. Es war zu spüren, dass sie mit ihrem Chefdirigenten Russell N. Harris intensiv für diese Exkursion in eine andere Welt des musikalischen Ausdrucks gearbeitet hatten, dass sie neue Zonen der musikalischen Grammatik erkunden mussten - übrigens nicht nur unter der Überschrift „Tango”. Es gab auch Orchestermusik von Ginastera, von De Falla und von Bernstein.
Zum ersten Mal konnten diese Musiker als Orchester Erfahrungen machen, die viele von ihnen als einzelne schon hinter sich hatten. Aber Tango im sinfonischen Orchester machen heißt: sich einbringen und doch zurücknehmen, das Tangogefühl im Blut spüren, aber sich der Orchesterdisziplin unterwerfen.
Bandoneon-Solist Jaurena seinerseits unterwarf sich ganz dem sinfonischen Konzept, ohne etwas von dem Zauber dieses Instrumentes preiszugeben - gleich, ob er eigene Kompositionen von hoher Eindruckskraft oder Klassiker wie Piazzolla zelebrierte. Sein Bandoneon kommt ohne sentimentales Schluchzen aus. Mit geradezu apollinischer Klarheit formt er musikalische Konturen jenes bestimmten Lebensgefühls, das die Eingeweihten unter „Tango” verstehen.
Marga Mitchell, vokale Partnerin der Instrumentalis-ten, brachte jene Nuance ein, die aus dem Ereignis noch mehr macht als einen Kon-zertabend: durch die der Vor-hang zwischen dem Kunstgenuss und dem dahinter verborgenen Fantasialand jenen Riss bekommt, der das Verlangen weckt, in die Welt dieses Gesangs hineinzuschauen, um sie für einen Moment im Anblicken zu besitzen.

 

Westfälische Rundschau 14.05.2005

Rockmusikalisches Jugendtheater über Liebe und Anderssein
Die Neue kommt aus Polen
(sw) „Sechs Stunden alles grau” - das ist der Song zum Schulbeginn am Montag. Diesmal aber passt er nicht.  Denn eine Neue kommt in die Klasse: Anna aus Kattowitz. Und das Berliner Kinder- und Jugendtheater Atze erzählt, wie der zehnjährige Ben Gefallen an der neuen Mitschülerin findet, die von den anderen gehänselt wird. „Ich mag dich”, rutscht es aus ihm heraus. Es folgt der Song „Au ist das peinlich...” Verlegenes Rumstehen und Rumdrucksen, hin- und herwechselnde Briefe - ja, die Bühnenvorlage kommt aus dem Kinderbuch von Peter Härtling, 1979 entstanden, als es noch keine SMS gab. Mit Ben lernt das junge Publikum im Zelttheater Annas Familie kennen, die in einem Notquartier wohnt, weil der Vater keine Arbeit hat. Andere Länder, andere Sitten - Ben jedenfalls mag keine Kutteln, aber Pommes, und da treffen sich dann die Kinder aller Länder wieder. Die schnelle Szenenfolge mit musikalischen Einlagen kommt an. Manchmal meint man die Seufzer zu hören, wenn die Bühnengeschichte mit dem bittersüßen Ende den Nerv trifft. An die dritten bis achten Klassen richtete sich das Stück um Liebe und Anderssein, das weniger die Welt zeigt, wie sie ist, sondern wie sie besser sein könnte.

 

Westfälische Rundschau 13.05.2005

Freudenberger „TraumExpress” präsentierte die dritte Tabaluga-Geschichte: Beim Geburtstagsfest geht es ums Glück
Farbenpracht und Poesie
(sw) Ketten der Freundschaft können schwer wiegen - besonders das Geschenk von den Nashörnern, die dem Drachen zum siebten Geburtstag eine Eisenkette um den Hals legen.
 Die meinen es natürlich gut. Anders als der böse Schneekönig Arktos, der Tabaluga eine Kette aus Eiskristallen aufschwatzt, im Tausch gegen die Diamantenkette, die Frau Pfau mitgebracht hat. Tabaluga, der Feuer speiende Drachen, ist naturgemäß schnell erleichtert. Er wird auch alle anderen Ketten los - an den unglücklichen Pechvogel, an das benachteiligte Dreckschwein. Aber alle Tiere, die so beschenkt wurden, bilden eine rettende Kette, als es darum geht, den in einem Gletscher verunglückten Tabaluga zu retten. Arktos soll nicht triumphieren, der mit dem Magier gewettet hat, dass Tabaluga sein Glück nicht findet.
Ein bisschen Hans im Glück, ein Hauch von Faust, vor allem aber viel Poesie: Der Freudenberger „TraumExpress” ist mit der dritten Episode des Musicals von Peter Maffay unterwegs. Gefeiert wird das von Werner Schmidt geleitete Ensemble, das mit Chören, Hauptschule und Jugendpflege in Freudenberg zusammenarbeitet, seit der Premiere im Februar. Und wie schon vor sechs Jahren, als das Jugendmusiktheater „Tabaluga und Lilli” auf den Giller brachte, war auch diesmal das effektvolle, farbenprächtige Gastspiel bei KulturPur ein Höhepunkt für die jugendliche Truppe. Und für ihre jungen Fans, denen auch ums Herz ganz warm wurde.