Westfälische
Rundschau 18.05.2005
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Liberg hat Lust auf die Philharmonie Wunschzettel
ist noch lang (sw) „Ich bin emotionslos und
abgehärtet.” Sagt KulturPur-Chef Wolfgang Suttner, wenn
wieder einmal alle über das Wetter sprechen. Nur
manchmal gewinnt die Schwerkraft gegen menschliche Entschlossenheit
und zieht die Mundwinkel ganz tief nach unten, wenn
der Dauerregen vom nächsten Gewitterschauer unterbrochen
wird. Das geht aber auch schnell vorbei. Und schon entstehen
sie wieder, jene Sätze für die offizielle KulturPur-Abschlusserklärung:
„Unsere üppige und ungemein schöne Mittelgebirgskultur
braucht genau diesen Regen”, stellt Wolfgang Suttner
fest, „wir können unser Konzept nur dann glaubhaft praktizieren,
wenn wir die Natur in ihrer Unmittelbarkeit akzeptieren.” Für
den Festivalleiter sind die fünf KulturPur-Tage auf
dem Giller „Kommunikations- und Kreativitätsfeld”. Im
Gespräch mit Künstlern werden Netzwerke gesponnen -
solche, die dabei helfen, Legenden wie Marianne Faithfull
auf den Giller zu holen. Netzwerke, die irgendwann auch
Paolo Conte, Joan Baez, Charles Aznavour und Randy Newman
erreichen sollen. Und im Gespräch mit dem Publikum kommen
neue Ideen auf - zum Beispiel, die Philharmonie einmal
ganz im Grünen auf einer Waldlichtung musizieren zu
lassen. Hans Liberg, der Musikkabarettist,
hat zugesagt, einen KulturPur-Act mit der Philharmonie
zu produzieren. Suttner: „Er wird dann in die Diskussion
mit dem Dirigenten einsteigen.” Da ist es ein ausgesprochener
Glückfall, dass das besser denn je aufgelegte Orchester
mit Russell N. Harris einen ausgesprochenen Entertainer
an der Spitze hat. „Das nimmt den Leuten die Scheu,
ins Konzert zu gehen.” Verlängert wurde auch
in diesem Jahr die Liste, was bei KulturPur geht und
was nicht. „Unser Publikum ist anspruchsvoll und risikofreudig”,
sagt Wolfgang Suttner. Allerdings: Es bedarf der eindeutigen
Schlagwörter, die es erleichtern, das zu Erwartende
einzuordnen. Das gelang mit Liberg und den Stichworten
„Musik” und „Kabarett”, das gelang nicht bei Marianne
Faithfull, der „gebrochenen Legende”. Hilfreich ist
dann die Wiederholung - so wie bei der Solo-Show des
„Caveman”, die von Tag zu Tag besser besucht war. Für
Kreuztals Kulturreferent Michael Townsend eine Ermutigung,
Ähnliches auch im großen Zelt zu probieren: „Hiermit
konnten wir den Ruf von KulturPur als Theaterfestival
wahren.” Die Abende mit den zwei TopActs um
18 und um 21 Uhr dienten auch dazu, die Zeltkapazität
besser auszunutzen. Die Kehrseite: Die Late-Night-Shows
beginnen nicht vor 23.30 Uhr. „Es ist die Frage, ob
die noch funktionieren”, sagt Suttner. Denn wenn das
Programm dann nach 1.30 Uhr zu Ende ist, steht den Gästen
ja auch noch die Heimreise vom Giller herab bevor. Eine
Lösung wäre der Umbau der Zelttheaterstadt: Wenn ein
kleines Theater mit gehörigem Abstand aufgebaut wurde,
könnten die Bühnen parallel bespielt werden. „Es
ist jedes Jahr der Wahnsinn”, sagt Wolfgang Suttner.
Und der Wahnsinn geht weiter: Nächstes Jahr vielleicht
auch mit Anett Louisan („Ich will doch nur spieln”).
„Wir sind schon in Kontakt.”
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Westfälische
Rundschau 18.05.2005
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Erst Hörgerät, dann Hendrix (lpd)
Ein Hörgerät brauchten die Zuhörer im Zelt nicht. Als
die gleichnamige Coverband am Samstag im Rahmenprogramm
bei KulturPur auf der Bühne stand, war sie auch so weithin
zu hören. „Hörgerät” bot seinem Publikum mit Stücken
von Herbert Grönemeyer, Xavier Naidoo, BAP, Westernhagen
oder Pur eine bunte Mischung aus deutschem Rock und
Pop. Ähnlich begeistert waren auch die Zuhörer
am Montag von „The Hendrix”. Der Name war Programm,
und Stücke des einzigartigen, viel zu früh verstorbenen
Gitarristen Jimmy Hendrix schallten durch das Zelt.
Viele Musikfans waren extra auf den Giller gekommen,
um diese Band zu hören. Die vierköpfige Tribute-Band
mit Gitarrist Steve Curly, Sänger Karsten Burkhardt,
Drummer Fritz Klappert und Bassist Andre Schneider hatte
aber nicht nur Songs des großen Hendrix auf der Playlist.
Ihr Motto heißt „back to the Sixties”, und da passen
auch Stücke wie Elvis Presleys „Jailhouse Rock”. Dem
Wetter zollten sie Tribut mit „Walkin' on sunshine”
von Kathrina & the Waves. Bei ihrem einstündigen
Gig machten Hendrix Lust auf die Nacht mit den legendären
Woodstock-Gruppen.
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Westfälische
Rundschau 18.05.2005
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Rock-Legenden ließen's krachen Boogie-Könige
von Canned Heat schossen beim letzten Top Act den Vogel
ab (thy-) Es wurde das erwartete Klassentreffen
der Siegen-Wittgensteiner Alt-Hippies und aller, die
es noch werden wollen, und niemand wurde am Montagabend
gesichtet, der sein Kommen zu vier Stunden Sixties-Seligkeit
bereut hätte: Zum Festival-Abschluss ließen es die Rock-Legenden
von Iron Butterfly, Canned Heat und Ten Years After
noch einmal richtig krachen. Den Vogel schossen
dabei sicher die Boogie-Könige von Canned Heat ab. Sie
zauberten gleich zu Beginn mit den Klassikern „Bullfrog
Blues” und vor allem „On The Road Again” eine prächtige
Stimmung ins große Zelt, die auch bei neueren Titeln
wie „World of Make Believe” oder „1, 2, 3 - here we
go again” nicht schlechter wurde. Erstaunlich,
denn der Tod hat - zum Teil schon früh - so große Lücken
in die Formation gerissen, dass nur noch Schlagzeuger
Fito de la Parra den legendären Woodstock-Auftritt mitgemacht
hat. Doch vor ihm standen mit Greg Kage (Bass), Dallas
Hodge (Gitarre), Don Preston (Gitarre) und Stan Behrens
(Flöte, Harmonika, Saxofon) vier Musiker, die nicht
nur ihre Instrumente beherrschten, sondern allesamt
auch am Gesangsmikrofon eine gute Figur machten. „Goin'
Up The Country”, „Let's Work Together”, „Time Was” aus
den Sechzigern, dazu der „Harley Davidson Blues” von
1973 - Canned Heat hätte man auch gerne einen ganzen
Abend lang gehört. Dagegen waren Iron Butterfly,
die das Abschlusskonzert auf dem Giller eröffneten,
schon immer etwas für Ohren, die sich bei kreischenden
Gitarren und schneidenden Orgelklängen wohl fühlen.
Die Hitgeschichte des „Eisernen Schmetterlings” reduziert
sich zumindest in Europa fast ausnahmslos auf das 18-Minuten-Stück
„In-a-gadda-da-vida”, das aber auch nach 37 Jahren immer
noch fasziniert: Vor allem das einst richtungsweisende
Schlagzeug-Solo des einzig verbliebenen Originalmitglieds
Ron Bushy, aber auch die wie auf einer Kirchenorgel
gespielten Einsätze danach haben sich in den Köpfen
einer ganzen Generation von Psychedelic- und Underground-Fans
festgesetzt und wurden auf dem Giller entsprechend gefeiert. Ten
Years After schließlich machten bei Kultur Pur 2005
die Türen zu. Einst als Nachfolger von Cream gefeiert
und ebenfalls bei Woodstock am Start, servierten sie
gleich zu Beginn die beiden Klassiker „Goin' Home” und
„Love Like A Man” und konnten danach nicht mehr viel
falsch machen. Erstaunlich, wie Joe Gooch
den legendären, einst als flinksten Finger der späten
sechziger und frühen siebziger Jahre gepriesenen Gitarristen
Alvin Lee ersetzt hat; vor allem deshalb erstaunlich,
weil er 1977 geboren wurde - zu einem Zeitpunkt also,
als die erste Karriere seiner jetzigen Kollegen Leon
Ryons, Ric Lee und Chuck Churchill schon längst Geschichte
war.
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Westfälische
Rundschau 18.05.2005
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Das Hoftheater gab sein Bestes (sw)
„Halten Sie durch”, appelliert Hoftheater-Regisseur
Hartmut Kriems an die tapfere Besucherschar. Für die
ist das Ehrensache: Schließlich ließ sich das Ensemble
bei seinen beiden Vorstellungen auf der Ginsburg zwei
Mal bis auf die Haut durchnässen. Am Anfang
kommt es darauf an, ganz schnell Platz zu nehmen auf
den gerade trocken gewischten Stühlen. Mülltüten decken
die Knie ab, auf die der nasse Schwall von den Regenschirmen
der Platznachbarn oder direkt aus dem Himmel platscht.
Profis haben Isomatten dabei. Das in dieser
Hinsicht geprüfte, seit 20 Jahren bestehende Amateur-Ensemble
tritt unter Regenschirmen mit Hoftheater-Enblem auf.
„Lysistrate oder Wie die Frauen den Krieg gewannen”:
Aristophanes schrieb aus Anlass des Krieges zwischen
Athen und Sparta die Komödie, wie Frauen sich sexuell
verweigern, um ihre Männer zum Frieden zu zwingen. Die
Hilchenbacher haben sich bei Rühmkorf und Jandl, Ringelnatz
und F.K. Waechter bedient - der 60. Jahrestag des Kriegsendes
ist der Anlass gewesen, die Inszenierung bei KulturPur
noch einmal zu zeigen. Karin Mankel als Lys,
Anna Wilhelm als Kleo, Andrea Benito als Myrr und Sabine
Niederau als Lam geben die Frauen, die den Soldaten
mit deftigsten Worten entgegengetreten und sie schließlich
mit Wasserbomben bewerfen. Umwerfend komisch Fabian
Braun als Sergeant, Lenny Kriems als Captain und Frank
Klischies als Colonel, der den Jeep durch die Schlammfontänen
zu lenken hat - deutlich die Anspielung auf den zweiten
Golfkrieg, der das Ensemble motiviert hat, eine Friedens-Komödie
zu erarbeiten. Manfred Hirsch, Senior des Ensembles,
markiert als Veteran mit einem Monolog über das Grauen
des Krieges den Wendepunkt im Stück, dem - als Kabinettstückchen
- die Szene mit den liebeshungrigen Kinesias (wiederum
Fabian Braun) folgt, den seine Frau Medea (Natalie Klezel)
mit Bohnerwachs „salbt”, um sodann das Weite zu suchen.
Schließlich das Finale mit dem Friedensschluss und dem
Pakt der Kinder, die sich ihren Eltern verweigern, sollten
diese noch einmal einen Krieg vom Zaum brechen. Albert
Prins hat wieder die Musik geschrieben, die von den
„Swinging Elephants” aus Kreuztal gespielt wird. „Wir
geben unser Bestes”, hat Hartmut Kriems versprochen.
Das hat das sympathische Ensemble auch getan. Und das
hat sogar die Sonne beeindruckt: Irgendwann bricht sie
durch die Wolkendecke durch. Für einen Moment.
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Westfälische
Rundschau 17.05.2005 (Mantel)
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Punktgenau fürs Publikum Hilchenbach.
"Halten Sie durch!" Hartmut Kriems, Regisseur
des Hilchenbacher Hoftheaters, appelliert mit Erfolg
an das Publikum, das sich zwei Nachmittagsvorstellungen
lang bei "Lysistrate" nach Aristophanes durchnässen
lässt - eine der ganz wenigen "KulturPur"-Produktionen,
die planmäßig im Freien stattfinden konnten. Immerhin:
Zum gestrigen Finale lichteten sich die Wolken. 43
000 Menschen kamen zu einem Festival auf der Ginsberger
Heide, das so tief ins Wasser gefallen ist wie kaum
eines in den 14 Jahren zuvor. Zugleich aber war die
15. Auflage von KulturPur eine, in der alle Programm-Höhepunkte
praktisch punktgenau beim Publikum landeten - enttäuschende
"Ausreißer" blieben aus. Ein Highlight
war das Gastspiel von Marianne Faithfull, die bei KulturPur
ihre aus Gesundheitsgründen unterbrochene Europa-Tour
wieder aufnahm. Sie war mit Liedern von Kurt Weill und
Friedrich Holländer unterwegs, sie macht immer mal wieder
längere Konzertpausen, um Theater zu spielen. Bei vielen
Kritikern steckt sie noch in der Schublade mit der Aufschrift
"Sixties-Ikone". Nichts von alledem bei KulturPur:
Auf dem Giller packte Marianne Faithfull die Rock-Röhre
aus. Es fehlte kaum ein Meilenstein ihrer großartigen
Karriere, die allerdings einen zehn Jahre währenden
Knick hatte und erst 1979 mit "The Ballad of Lucy
Jordan" wieder Fahrt aufnahm. Ihr Versprechen vom
Konzertbeginn hielt die Faithfull mit einer knallharten
Rockband im Rücken mühelos: "Wir geben alles."
Da wurde selbst der PJ Harvey-Song "Mystery of
Love", auf dem aktuellen Album "Before The
Poison" eine eher zurückhaltende Akustik-Ballade,
zum schweißtreibenden, stampfenden Kracher, übertroffen
noch von John Lennons "Working Class Hero"
oder von der ersten Zugabe "Broken English". Die
leiseren Töne blieben also selten. Tom Waits "Strange
Weather" hat die 57-jährige Engländerin, die in
Irland lebt, aber wieder im Programm, und "Times
Square" von Barry Reynolds, der ihr nun schon seit
vielen Jahren als musikalischer Begleiter zur Seite
steht und erneut eine vorzügliche Gitarre spielte. Eher
überraschend: Marianne Faithfull zog deutlich weniger
Publikum als erwartet. 900 Zuschauer wurden gezählt
- zum Vergleich: Die Eröffnungs-Tango-Produktion mit
der Philharmonie Südwestfalen hatte 1400 Gäste, Mousse
T. mit Roachford ("Pop Muzak") und Emma Lanford
("Horny") sogar 1600. In der nach-mitternächtlichen
Late-night-Schiene kamen immer noch 1100 zu "Hot
Chocolate" und 700 zum Deutsch-Soul-Sänger Stefan
Gwildis, der sein Grand-Prix-"Lied für Kiew"
auch auf den Giller mitgebracht hatte. Vergnügen
der allerfeinsten Art bereitete der aus Amsterdam stammende
Musikkabarettist Hans Liberg. 1500 Menschen traten die
Lachtränen aus den Augen, als er in bester Musiklehrer-Manie(r)
auf dem Steinway die Klassiker anspielte, modulierte
und kommentierte. Von Mozart zu Schnappi, vom Kaiserquartett
zu "All you need is Love - alles ist miteinander
verwandt, lehrt Liberg, der alle Grenzen zwischen den
Genres öffnet, die womöglich nur willkürlich gezogen
sind. Bis auf die zum Ententanz und zum Handy-Klingelton.
Vielleicht. Von Steffen Schwab und Wolfgang Thomas
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Westfälische
Rundschau 17.05.2005
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Jäger aus Kurpfalz und Ännchen von Tharau: 14 Chöre
und fast 400 Sänger Singend
zur Burg der tausend Stimmen (sw) Da lacht
die Sonne, da lachen die Sangesfreunde, da lacht das
Publikum. Sabine Görg begrüßte gestern Nachmittag
eine schier endlos große Besuscherschar - „zum Singen
und Wandern auf dem Pfad der Lieder zur Burg der tausend
Stimmen”. Die zweite Geschäftsführerin des Sängerkreises
Siegerland und die beiden Sängerkreis-Vorsitzenden Hermann
Otto (Siegerland) und Fritz Heinrich Hof (Wittgenstein)
konnten stolz sein: Immerhin hatten sie für ihr zweites
KulturPur-Projekt 14 Chöre aufgeboten, die sich zu Chorgemeinschaften
formier ten und am Wegesrand zwischen Giller und Ginsburg
Ständchen brachten. Die stattliche Zahl von 382 Sängern
und Sängerinnen war zusammengekommen. Ein
scharfer Pfiff. „Kann der Frauenchor Freudenberg mal
mit dem Proben aufhören?” An diesem Nachmittag, aber
nur an diesem, darf im Wald nicht jeder singen, wann
er will. Dann geht es los an der ersten Station. Kreischorleiter
Gerhard Schneider selbst dirigiert die Chöre aus Gernsdorf,
Niederdielfen, Bichelbach und Niederdielfen. Derweil
wartet Karola Bäumer an der zweiten Station mit ihren
Freudenberginnen auf die riesige Wandergruppe. Ralf
Schmidt dirigiert an den beiden folgenden Stationen:
zuerst die Burbacher, Lützelner und Eiserner Eintracht,
dann die Gilsbacher, Wiedersteiner und den Eiserner
Liederkreis. Es erklingen: Das „Mailied”, „Die Gedanken
sind frei” und viele andere Melodien. An der
Ginsburg warten Jens Schreiber und die Camerata Vocale
mit dem Ännchen von Tharau und dem Jäger aus Kurpfalz.
Seine Gäste von den Philippinen, die Imusicapella, hat
der Posaunenchor Hilchenbach mitgebracht, der das Finale
bestreitet: Bei „Wer recht in Freuden wandern will”
und „Kein schöner Land” sind die tausend Stimmen komplett.
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Westfälische
Rundschau 17.05.2005
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Mousse T. präsentierte Emma
Lanford, Roachford und James Kakande Der
Meister auf der Bühne (IS) Mousse T.
brachte das Zelttheater zum Beben. Zusammen mit einer
zehnköpfigen Band bewies der Künstler seine Vielseitigkeit. Aber
auch die drei Vokalisten Emma Lanford, Andrew Roachford
und James Kakande brauchten sich nicht im Schatten des
Meisters zu verstecken. Mit bekannten Hits wie „Sexbomb”
und dem neuen Charterfolg „Is it `cos I`m cool” begeisterten
sie die Zuschauer. „Die Ärzte sind die beste Band
der Welt, wir sind die faulste”, verkündete Mousse T.
während des Konzertes. Dass das nicht ernst gemeint
sein konnte, merkten die rund 1600 Musikfans schnell:
Emma Lanfords Power und Roachfords Soulstimme wurden
mit tosendem Applaus belohnt. Der nicht ganz so bekannte
Sänger James Kakande überzeugte ebenfalls mit seiner
Leistung. Sogar ein heimisches Talent fand sich auf
der Bühne ein: Der Bassist Peter Hinderthür wurde von
Mousse T. als gebürtiger Siegener vorgestellt. Nicht
nur junge Zuhörer freuten sich, wenn Emma Lanford „Right
about Now” und „Horny” ins Mikrofon schmetterte. Unterstützt
wurde sie dabei durch den Remix- Meister selbst am Keyboard
sowie durch eine meisterhafte Bandleistung. Auch wenn
der Sänger Roachford vielleicht nicht jedem ein Begriff
ist, so erkannten viele sofort seinen erst neulich erschienenen
Hit „Pop Muzak”. Mit diesem Konzert zeigte
Mousse T. wieder einmal, warum er auch international
einen so durchschlagenden Erfolg hat. Nicht nur das
Remixen von Liedern liegt ihm im Blut: Auf der Bühne
haben seine Kompositionen eine ebenso große Präsenz
wie in den Charts. Auch an Improvisationstalent
scheint es dem Ausnahmemusiker nicht zu mangeln. Zu
überbrücken war der Ausfall von Calvin Lynch, der einen
Motorradunfalls erlitten hat. Percussionist Maddi Tation
baute zum Ausgleich ein mehrminütiges Trommelsolo ein.
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Westfälische
Rundschau 17.05.2005
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Soul auf Deutsch: Großer, später
Auftritt Wunderschönes
Grau für den Giller (sw) Der Mann, der im
vorigen Jahr einen auf dem Giller einen Opel Kadett
E zertrümmert hat, mag den Giller. Stefan Gwildis war
wieder da - diesmal als Soul-Sänger mit deutschen Texten. 700
Gäste erlebten die mitternächtliche Show im kleinen
Zelttheater bei einem perfekten Gastgeber. Der 46-Jährige,
dem der George-Clooney-Vergleich derart nacheilt, dass
er auch hier am Nebensatz nicht vorbeikommt, geht auch
auf die ganz jungen weiblichen Fans freundlich ein,
ohne deren Wünschen nachzugeben („Ausziehen...”), und
erfüllt, nachdem er sich vorher erkundigt hat, die mehrheitliche
Bitte nach einer pausenfreien Late Night. Er erzählt
von seinem Lied für Kiew, das im Vorentscheid doch nur
ein Lied für Berlin blieb - „ich stand Auge in Auge
mit Ralph Siegel...” Und er verneigt sich vor einer
Besucherschar, die immerhin auf Wetten dass und Octopussy
im TV verzichtet habe. Und reich entschädigt
wird: Gwildis, der sich am Hamburger Thalia-Theater
zum Stuntfechter ausbilden ließ, ist Sänger und Komponist,
Entertainer und Schauspieler. Er ist ein kongenialer
Interpret seiner Texte, die er in die Klassiker des
Souls mit Akkuratesse hineinübersetzt hat - so kompromisslos
exakt, dass eher einmal ein Stück unübersetzt bleibt,
als dass auch nur ein Takt im Versmaß verändert oder
eine Silbe dem Rhythmus zuliebe und ansonsten ohne Sinn
weggeschluckt würde. „Allem Anschein nach bist Du's”
kommt von „Ain't no Sunshine” (Bill Withers), „Lass
ruhig mal den Hut auf” von „You can leave your Hat on”
(Randy Newman), „Das kann doch nicht Dein Ernst sein”
von „I heard it through the Grapevine” (Marvin Gaye). Natürlich
gibt es von der neuen CD „Nur wegen Dir” das „Wunderschöne
Grau”, mit dem er Deutschland nun nicht in Kiew vertritt.
Einer der Höhepunkte aber ist „Papa will hier nicht
mehr wohn”. Die Temptations („Papa was a Rolling Stone”)
geben die Vorlage zu der Geschichte, die Gwildis aus
Anlass des Mauerfalls am 9. November über eine Familie
in der DDR erzählt - tiefe Bedeutung und eine ausgefeilte
Choreografie mit einer Handscheinwerfer-Szene, die für
die Sorgfalt und den Blick fürs Detail steht, mit dem
Gwildis sich vorbereitet hat. Beeindruckend die auch
die ungewöhnlich große Besetzung mit reich instrumentierter
Band und Chor - immerhin ein Dutzend Menschen bilden
das lebende Bild zum Abschluss eines Acts, der ein wenig
Geheimtipp geblieben ist.
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Westfälische
Rundschau 17.05.2005
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Kein Zweifel: Die erfolgreichste europäische Band
der 1970er hat ihre riesige Fangemeinde ins neue Jahrtausend
geholt. Im Saal kochte nicht
nur die Schokolade (IS) Da wurden bei manch
einem Zuhörer Erinnerungen wach: Die Popgruppe „Hot
Chocolate” spielte in einem nahezu ausverkauften Zelt. Rund
1100 „Schokoladen-fans” fanden sich vor der Bühne im
kleinen Zelttheater ein, als Sänger Greg Bannis in goldenem
Glitzeranzug die ersten Töne zum Besten gab. Es folgte
eine zweistündige Show mit weltweit erfolgreichen Hits
und schwungvollen Tanzeinlagen. Es gab kaum einen Song,
bei dem die Zuhörer nicht mitsingen konnten. Mit ihrer
Mischung aus Funk, Rythm and Blues und Synthi-Disco-Sounds
zogen die Musiker die Fans sofort in ihren Bann. Viele
Ehepaare erinnerten sich wohl auch daran, den ersten
gemeinsamen Tanz zu den Klängen eines „Hot-Chocolate”-Songs
versucht zu haben. Mit oft kopierten Hits aus den 70ern
wie „Emma” und „Brother Louie” brachten die sechs Briten
den Saal auch noch ganz lange nach Mitternacht zum Kochen.
Auch dem Letzten ging an diesem Abend ein Licht bezüglich
der Band auf - bei den Klängen des Erfolgsliedes „You
Sexy Thing”. Mit ihren Hits hatte die Band
in den 70ern die Status der erfolgreichsten europäischen
Band. Dass sie des Titels würdig war, bewies sie bei
KulturPur am Samstag allemal. Die Stimmung im Zelt stieg
von Lied zu Lied. Während die Stühle im hinteren Teil
anfangs noch alle besetzt waren, hielt es spätestens
nach „No Doubt about it” keinen mehr auf seinem Platz.
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Westfälische
Rundschau 17.05.2005
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Kabarettistische Musikstunde mit Hans Liberg: Am
Ende lachten alle Tränen Unterwegs
von Schnappi zu Mozart (sw) Drei Men in Black
kommen auf die Bühne. Der am Schlagzeug, Martijn Klaver,
hat immer noch eine Sonnenbrille auf, wenn er eine abnimmt.
Der andere Mann in Schwarz am E-Bass ist André Versluijs.
Und vorn, ohne Sonnenbrille, vor weißer Kulisse am schwarzen
Steinway: Hans Liberg. Der gebürtige Amsterdamer,
51 Jahre jung, könnte Musiklehrer sein - wie er die
Stücke anspielt, kommentiert, moduliert, überspricht,
in den Dialog mit seinen Zuhörern tritt. Das Cross-Dressing
mit Jogging-Hose spricht ebenso gegen die Annahme wie
die Kopfzahl der zelttheatergroßen Schulklasse. Nichts
ist ernst gemeint von dem, was der Musikologe von jetzt
an aufführt, fast nichts. Wir lernen: die Verwandtschaft
von Beethovens Fünfter, dem Titel gebenden „Tatatata",
mit dem Ententanz samt Seniorenversion im Lambert-Sound;
den kurzen Weg von Schnappi zu Mozart. Wir lernen: wie
die kleine Nachtmusik in der Karaoke-Version klingt
und wie schlaflos deren deutsche Version macht. Wir
lachen längst Tränen, als die erste von vielen Gemeinheiten
gegen André Rieu unters Volk gebracht wird. Und eine
von mehreren gegen Helmut Lotti: „Er macht es absichtlich
- aber er hört es.” Was ihn von Mozart unterscheidet. 1981
begann Hans Liberg seine Bühnenlaufbahn in Utrecht.
1989 lernte ihn Dutschland kennen, wo er seitdem einen
Kleinkunstpreis nach dem nächsten zuerkannt bekommt.
Klar, dass Liberg sich auch hier zu Lande mittlerweile
gut auskennt: Mit Bach (goes France Gall, oder umgekehrt),
mit Wagner, mit Grönemeyer. Wir spielen ein wenig „Erkennen
Sie die Melodie”, wir unternehmen einen Ausflug in die
populäre Musik des 20. Jahrhunderts - Supertramp und
Haydn, der Flohwalzer und der Entertainer (aus „The
Clou”). Liberg greift zur Gitarre und macht das „Gloria
in excelsis Deo” aus den „Hard Day's Night” der Beatles
heraushörbar. Und das Kaiserquartett aus „All you need
is love.” Apropos: Die landläufig schönste
Sache der Welt hat natürlich zwei Seiten. Die Musik-Doppelstunde
neigt sich dem Höhepunkt und unmittelbar folgenden schnellen
Ende entgegen. Die ewigen Top Ten der Schlafzimmermusik
werden von den Tubular Bells (Mike Oldfield) angeführt
- sie sind halt passend lang. Und nicht vergessen: Schubert
„Das Wandern ist des Müllers Lust”) litt an Syphilis
- „aber das Ergebnis ist fabelhaft”. Nach dem Parforce-Ritt
durch die Musikgeschichte bis zum Handy-Klingelton noch
ein wenig Sirtaki. Dann Ovationen eine restlos begeisterten
Publikums. Und keine Hausaufgaben.
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Westfälische
Rundschau 17.05.2005
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Marianne Faithfull zog alle
Register Die Rock-Röhrestartet
durch (thy-) Sie ist mit Liedern von Kurt
Weill und Friedrich Holländer auf Tournee gegangen,
macht immer mal wieder längere Konzertpausen, um Theater
zu spielen, und bei vielen Kritikern steckt sie immer
noch in der Schublade mit der Aufschrift „Sixties-Ikone”.
Nichts von alledem bei Kultur Pur: Auf dem Giller packte
Marianne Faithfull die Rock-Röhre aus. Kaum
ein Meilenstein ihrer großartigen Karriere, die allerdings
einen zehn Jahre währenden Knick hatte und erst 1979
mit „The Ballad of Lucy Jordan” wieder Fahrt aufnahm,
fehlte. Und ihr Versprechen vom Konzertbeginn hielt
die Faithfull mit einer knallharten Rockband im Rücken
mühelos: „Wir geben alles.” Da wurde selbst
der PJ Harvey-Song „Mystery of Love”, auf dem aktuellen
Album „Before The Poison” eine eher zurückhaltende Akustik-Ballade,
zum schweißtreibenden, stampfenden Kracher, übertroffen
noch von John Lennons „Working Class Hero” oder von
der ersten Zugabe „Broken English”. Die leiseren
Töne blieben beim Auftakt zu ihrer neuen Europa-Tournee
also in der Minderheit. Tom Waits' „Strange Weather”
hat sie aber wieder im Programm, „Times Square” von
Barry Reynolds, der ihr nun schon seit vielen Jahren
als musikalischer Begleiter zur Seite steht und auch
dieses Mal wieder eine vorzügliche Gitarre spielte.
Auch „As Tears Go By” sang sie, jenes Liedchen, mit
dem sie 1964 als 17-Jährige zum ersten Mal vordere Hitparaden-Plätze
erreichte. Kein Wort allerdings über die beiden Autoren
Mick Jagger und Keith Richard, deren allererste gemeinsame
Arbeit das Stück ist, und auch keine Verwunderung darüber,
dass Reynolds das Solo mit seiner Gitarre in alle greifbaren
Disharmonien zerlegte. Dagegen scheint sie mit einem
anderen Stones-Song aus jener Ära endgültig ihren Frieden
gemacht zu haben: „Sister Morphine”, dieses tief unter
die Haut gehende Lied über die letzten Stunden eines/r
Heroinabhängigen, hat viel mit ihrer eigenen Lebensgeschichte
zu tun; jetzt singt sie es endlich wieder, mit einer
Intensität, die Mick Jagger sein Leben lang nicht mehr
erreichen wird: „Ein großartiges Lied”, sagt sie, sich
im Beifall wegdrehend, „und ich habe diesen Text geschrieben.” Fast
zwei Stunden lang zog Marianne Faithfull im großen Zelt
alle Register ihrer brüchigen, eindringlichen Stimme.
Das Publikum hielt es zum Schluss nicht mehr auf den
Sitzen, und auch wenn beim ersten Konzert einer langen
Tournee nicht alle Einsätze stimmten und die Band einmal
sogar ein anderes Lied anspielte, als die 57-Jährige
singen wollte: Die Engländerin mit Wohnsitz in Irland
hat sich auf dem Giller als wahrer Top Act präsentiert
und hatte mehr Zuschauer verdient, als letztendlich
in den großzügig gestellten Stuhlreihen Platz genommen
hatten.
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Westfälische
Rundschau 17.05.2005
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Tanzvergnügen ohne Grenzen: Junge Bands aus Barcelona
feierten eine mitternächtliche „Party Catalunya” Den
Rhythmus im Blut (IS) Rhythmus im Blut, den
haben die Bands „Costo Rico” und „La Kinky Beat” auf
jeden Fall. Die Musiker und Musikerinnen aus
Barcelona feierten „Party Catalunya”. Innerhalb von
Minuten schafften sie es, das Publikum trotz vorgerückter
Stunde mit ihren katalonischen und rockigen Rhythmen
mitzureißen. Die Stühle im Zelt dienten nur als Ablagefläche
für Jacken, und auch der Bierstand blieb menschenleer.
Rund 600 Zuhörer drängten sich dicht vor der Bühne.
Sie verschmolzen nach kurzer Zeit zu einer tanzenden
Masse. Angeheizt wurden die „Hüftenschwinger”
dabei zunächst von Rumba- und Sambastücken der Newcomer-Band
„Costo Rico”. Die acht Musiker sowie die Energie versprühende
Sängerin hatten dabei mindestens genauso viel Spaß auf
der Bühne wie die Rhythmusbegeisterten davor. Mit ihrer
Mischung aus Rumba, Reggae, Ska, Funk und Samba stellten
sie bereits auf über 120 Festivals und Konzerten ihre
Kreativität unter Beweis. Auch die „La-Kinky-Beat”-
Musiker zogen das Publikum gleich in ihren Bann mit
einer tanzbaren Mischung aus Rock, Reggae, Punk und
Pop. Die Musiker schienen auf der Bühne mit ihren Instrumenten
zu verschmelzen. Dadurch verliehen sie ihren Stücken
eine ganz eigene Atmosphäre. Besonders die starke Bläserfraktion
machte die „Party Catalunya” zu einem besonderen Musikerlebnis.
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Westfälische
Rundschau 14.05.2005
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Der Höhlenmann kann nicht anders (sw)
Du sammeln. Ich jagen. Rob, von seiner Frau vor die
Tür gesetzt, findet die Erklärung seiner Misere in der
Zeit der Höhlenmänner. Milton Welsh ist ein „Caveman”
auf der Bühne - einer von vielen. Denn wir sind
im Jahrzehnt der Warum-Männer-nicht-zuhören-und-Frauen-schlecht-einparken-Traktate.
In New York seit 1996, wo sogar schon ein „Caveman Way”
getauft wurde. In Deutschland seit 2000. „Wir lernen
uns jetzt bald kennen”, kündigt Welsh im Gespräch mit
der WR an. Sechs deutsche Cavemen planen ein gemeinsames
Special in Berlin an. In seinem Geburtsort Kassel hat
der Wahl-Berliner gerade seine ersten drei Vorstellungen
gegeben. Auf dem Giller folgen die nächsten drei. Dieser
Höhlenmann ist unverbraucht. Bonanzarad mit Fuchsschwanz,
Cowboy- und Indianerspiel, Kloppereien - die Welt der
Jungs ist einfacher als die der Mädels, die Mutter und
Kind spielen und ein Seil zum Springen benutzen, statt
jemanden damit zu fesseln. Und so geht es weiter: beim
Einkaufen, beim Über-Gefühle-Reden, beim Probleme-Lösen.
Der Mann fällt einen Baum und baute eine Brücke. Die
Frau geht um den Tümpel herum. „Du alte Sau”, das ist
fast schon eine maximale Sympathiebekundung von Mann
zu Mann. „Aber eine Frau schätzt das nicht”, versteht
der Höhlenmann, dem im Oechelhäuser-Korn-schweren Schlaf
der Neandertaler erscheint, der ihm Bestätigung gibt. Kleine
Kabinettstückchen gelingen Milton Welsh von Szene zu
Szene. Der Höhlenmann als Kundschafter der Geschlechter
und ihrer Unterschiede - seinen Rob stattet er mit solcher
Begabung an Einsicht und Selbstironie aus, dass es der
Höhlenmensch in ihm eigentlich gar nicht mehr aushalten
darf. Oder doch: Denn dieser Rob ist in seiner Unzulänglichkeit
sympathisch genug, dass er trotzdem bleiben darf, wie
er ist - die Die-Männer-sind-Schweine-Zeit ist vorbei. Milton
Welsh - auch ein Caveman? „Ich habe durch mehrere Beziehungen
gelernt, wie man sauber macht”, sagt er - und ist gnädig
mit dem Rob im Mann: Sicher, der „Caveman” werde manchen
dazu bringen, sich für zwei Tage zusammenzureißen. Oder
er komme eben noch mal wieder. Mit neuer Freundin. Auf
dem Giller noch heute und morgen möglich.
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Westfälische
Rundschau 14.05.2005
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Tango-Nacht mit der Philharmonie Ausflug
in eine andere Welt (Loh) Erstes Highlight
von Kultur Pur 2005 war die ausverkaufte Tangonacht
der Philharmonie Südwestfalen mit der Sängerin Marga
Mitchell aus Venezuela und mit dem Bandoneon-Künstler
Raúl Jaurena aus Uruguay. Damit der Tango sichtbar
wurde, kamen paarweise auf die Bühne Carlos Acuna, Carolina
Jaurena, Carlos Alberto Yannacanedo und Rosa Collallantes.
Sie traten an in strengster Choreografie, ohne artistische
Extravaganzen. Ihre Bewegungsfolgen, das gleitende Nacheinander
und das scheinbare Stillestehn in Momenten, wo der Tangorhythmus
in seiner eigenen Ekstase erstarrt - diese Bewegungen
waren von architektonischer Schönheit erfüllt. Das waren
Minidramen, in denen jegliches Natürliche verwandelt
war in Künstlichkeit. Die Musik für Tänze mit klingenden
Namen wie „A Mancuso” oder „La Pirulita”, „El Botija”
oder „La Cumparsita” lieferten die Philharmoniker im
neuen Outfit mit weißen Dinnerjackets. Es war zu spüren,
dass sie mit ihrem Chefdirigenten Russell N. Harris
intensiv für diese Exkursion in eine andere Welt des
musikalischen Ausdrucks gearbeitet hatten, dass sie
neue Zonen der musikalischen Grammatik erkunden mussten
- übrigens nicht nur unter der Überschrift „Tango”.
Es gab auch Orchestermusik von Ginastera, von De Falla
und von Bernstein. Zum ersten Mal konnten diese Musiker
als Orchester Erfahrungen machen, die viele von ihnen
als einzelne schon hinter sich hatten. Aber Tango im
sinfonischen Orchester machen heißt: sich einbringen
und doch zurücknehmen, das Tangogefühl im Blut spüren,
aber sich der Orchesterdisziplin unterwerfen. Bandoneon-Solist
Jaurena seinerseits unterwarf sich ganz dem sinfonischen
Konzept, ohne etwas von dem Zauber dieses Instrumentes
preiszugeben - gleich, ob er eigene Kompositionen von
hoher Eindruckskraft oder Klassiker wie Piazzolla zelebrierte.
Sein Bandoneon kommt ohne sentimentales Schluchzen aus.
Mit geradezu apollinischer Klarheit formt er musikalische
Konturen jenes bestimmten Lebensgefühls, das die Eingeweihten
unter „Tango” verstehen. Marga Mitchell, vokale Partnerin
der Instrumentalis-ten, brachte jene Nuance ein, die
aus dem Ereignis noch mehr macht als einen Kon-zertabend:
durch die der Vor-hang zwischen dem Kunstgenuss und
dem dahinter verborgenen Fantasialand jenen Riss bekommt,
der das Verlangen weckt, in die Welt dieses Gesangs
hineinzuschauen, um sie für einen Moment im Anblicken
zu besitzen.
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Westfälische
Rundschau 14.05.2005
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Rockmusikalisches Jugendtheater über Liebe und Anderssein Die
Neue kommt aus Polen (sw) „Sechs Stunden alles
grau” - das ist der Song zum Schulbeginn am Montag.
Diesmal aber passt er nicht. Denn eine Neue kommt
in die Klasse: Anna aus Kattowitz. Und das Berliner
Kinder- und Jugendtheater Atze erzählt, wie der zehnjährige
Ben Gefallen an der neuen Mitschülerin findet, die von
den anderen gehänselt wird. „Ich mag dich”, rutscht
es aus ihm heraus. Es folgt der Song „Au ist das peinlich...”
Verlegenes Rumstehen und Rumdrucksen, hin- und herwechselnde
Briefe - ja, die Bühnenvorlage kommt aus dem Kinderbuch
von Peter Härtling, 1979 entstanden, als es noch keine
SMS gab. Mit Ben lernt das junge Publikum im Zelttheater
Annas Familie kennen, die in einem Notquartier wohnt,
weil der Vater keine Arbeit hat. Andere Länder, andere
Sitten - Ben jedenfalls mag keine Kutteln, aber Pommes,
und da treffen sich dann die Kinder aller Länder wieder.
Die schnelle Szenenfolge mit musikalischen Einlagen
kommt an. Manchmal meint man die Seufzer zu hören, wenn
die Bühnengeschichte mit dem bittersüßen Ende den Nerv
trifft. An die dritten bis achten Klassen richtete sich
das Stück um Liebe und Anderssein, das weniger die Welt
zeigt, wie sie ist, sondern wie sie besser sein könnte.
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Westfälische
Rundschau 13.05.2005
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Freudenberger „TraumExpress” präsentierte die dritte
Tabaluga-Geschichte: Beim Geburtstagsfest geht es ums
Glück Farbenpracht und Poesie (sw)
Ketten der Freundschaft können schwer wiegen - besonders
das Geschenk von den Nashörnern, die dem Drachen zum
siebten Geburtstag eine Eisenkette um den Hals legen. Die
meinen es natürlich gut. Anders als der böse Schneekönig
Arktos, der Tabaluga eine Kette aus Eiskristallen aufschwatzt,
im Tausch gegen die Diamantenkette, die Frau Pfau mitgebracht
hat. Tabaluga, der Feuer speiende Drachen, ist naturgemäß
schnell erleichtert. Er wird auch alle anderen Ketten
los - an den unglücklichen Pechvogel, an das benachteiligte
Dreckschwein. Aber alle Tiere, die so beschenkt wurden,
bilden eine rettende Kette, als es darum geht, den in
einem Gletscher verunglückten Tabaluga zu retten. Arktos
soll nicht triumphieren, der mit dem Magier gewettet
hat, dass Tabaluga sein Glück nicht findet. Ein bisschen
Hans im Glück, ein Hauch von Faust, vor allem aber viel
Poesie: Der Freudenberger „TraumExpress” ist mit der
dritten Episode des Musicals von Peter Maffay unterwegs.
Gefeiert wird das von Werner Schmidt geleitete Ensemble,
das mit Chören, Hauptschule und Jugendpflege in Freudenberg
zusammenarbeitet, seit der Premiere im Februar. Und
wie schon vor sechs Jahren, als das Jugendmusiktheater
„Tabaluga und Lilli” auf den Giller brachte, war auch
diesmal das effektvolle, farbenprächtige Gastspiel bei
KulturPur ein Höhepunkt für die jugendliche Truppe.
Und für ihre jungen Fans, denen auch ums Herz ganz warm
wurde.
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